566 IX. Marine und Schiffahrt. Art. 54.
gleichheit mit der etwaigen Verschiedenartigkeit der Selbstkosten und der
Interessen an dem Schiffahrtsverkehr in Einklang zu bringen, die Zusammen-
fassung mehrerer bei derselben natürlichen Wasserstraße oder an demselben
Stromgebiet beteiligten Bundesstaaten zu Zweckverbänden vor, welche die
Abgaben für den durchgehenden Verkehr auf gemeinsame Rechnung erheben:
die Erträge sollen ihnen nach dem Maßstabe derjenigen Aufwendungen über-
wiesen werden, die ein jeder Staat mit Zustimmung des Verbandes für
das gemeinsame Wasserstraßennetz im Schiffahrtsinteresse gemacht hat; die
Gelder dürfen von den Mitgliedern des Verbandes nur zur Stromverbefserung
verwendet werden. Die Verbände werden von den beteiligten Staaten
unter Mitwirkung der Schiffahrtsbeteiligten selbst verwaltet; über Zweifels-
fragen entscheidet der Bundesrat, der unter Umständen einem Staat die
Verpflichtung zum Eintritt in den Zweckverband auferlegen kann. Kein
Staat kann sich dann einseitig mehr den Aufwendungen entziehen, die als
dem gemeinsamen Interesse entsprechend anerkannt werden.
Der Entwurf schafft also durch die gesetzliche Normierung der Tarif-
gleichheit sowie durch die Organisation der Zweckverbände neuen wirtschafts-
politischen Gedanken Raum; für die Zwecke des Wasserverkehrs wird zwischen
den wirtschaftlich stärkeren und den weniger leistungsfähigen Gebieten eine
Interessengemeinschaft begründet; vgl. die Ausführungen des Staatsministers
v. Breitenbach in der Sitzung des preuß. Abgeordnetenhauses v. 6. Febr. 1908
St. B. 1741. Ob die neue Fassung des Art. 54 sachlich etwas wesent-
lich neues bringt oder nur eine authentische Interpretation des geltenden
Rechts ist, kann eine offene Frage bleiben und dasselbe gilt von allen
juristischen Streitfragen, die sich an die bisherige etwas unklare Fassung
des Art. 54 geknüpft haben. Denn mag die neue Fassung nur eine authen-
tische Interpretation oder neues Recht sein, sie ist den wirtschaftlichen
Bedürfnissen allein kongruent und es gilt für sie der von Peters im Vor-
wort S. 8 zu Teil!] seiner Abhandlung „Schiffahrtsabgaben“ ausgesprochene
Satz, daß die wirtschaftlichen Triebkräfte, wenn sie im Rahmen des be-
stehenden Rechts nicht zur Geltung kommen, rechtsbildend wirken und sich
in neues Recht umsetzen. Die auf den bisherigen Wortlaut des Art. 54
gestützte Interpretation, durch welche die Unzulässigkeit der Schiffahrtsabgaben
dargetan werden soll, führt zu einer den allgemeinen Grundsätzen der
Staatsökonomie und der wirtschaftlichen Gerechtigkeit durchaus wider-
sprechenden Lage. Die Regulierung der Ströme mit dem Ziele Wasser-
straßen zu schaffen von der Leistungsfähigkeit, wie sie der moderne Schiffs-
verkehr braucht, erfordert ungeheuere Kapitalien und der Staat kann unmöglich,
selbst wenn seine Finanzen viel besser wären als sie sind, diese Summen
auf Kosten aller seiner Untertanen aufwenden, während ihr Verwendungs-
zweck tatsächlich nur wenigen Erwerbskreisen zustatten kommt; dazu kommt,
daß Verkehrsinteresse und Strombaulast sich oft nicht decken, und daß die
Aufwendung, die nach der geographischen Situation der eine Staat über-
nehmen muß, dem Stromverkehr zustatten kommt, der sich in dem Gebiete
eines Nachbarstaats abspielt; der Staat würde daher oft vor die Alternative
gestellt sein, entweder durch die Erhebung von Abgaben seine Auslagen zu
decken oder im Interesse der Gesamtheit seiner Steuerzahler an sich not-
wendige Strombauten unterlassen zu müssen; vgl. u. a. die Ausführungen des
Staatssekretärs des Innern Graf Posadowsky-Wehner in der Reichstags-