XI. Reichskriegswesen. Art. 58. 575
staaten zu erheben und es bleibt ihnen überlassen, sie mit allen sonstigen
für das Reich erforderlichen finanziellen Aufwendungen von ihren Unter-
tanen einzuziehen. In Ansehung der Wehrpflicht ist der Grundsatz der gleich-
mäßigen Belastung unter Ausschluß von Privilegien für einzelne soziale
Klassen durch das für das ganze Reich gültige Bundesgesetz betr. die Ver-
pflichtung zum Kriegsdienst v. 8. Nov. 1867 B.G.Bl. S. 131 und durch
das Reichs-Militärgesetz v. 2. Mai 1874 R. G. Bl. S. 45 durchgeführt worden;
vgl. Art. 57 S. 572 f. Was die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht
im Kriege und im Frieden betrifft, so ist eine mechanische Gleichverteilung
der Lasten hier so wenig wie bezüglich der Wehrpflicht möglich. Für die
Aufbringung dieser Lasten können nur diejenigen Volksklassen in Betracht
kommen, denen nach Besitz, Beruf und Gewerbe die für die bewaffnete
Macht zu gewährenden Naturalleistungen überhaupt zur Verfügung stehen.
Aber was die Reichsverfassung durch Art. 58 vermeiden wollte, eine Un-
gleichmäßigkeit der Verteilung im Sinne der Bevorzugung einzelner sozialer
Klassen findet nicht statt. Soweit persönliche Befreiungen eintreten, handelt
es sich um Personen-Kategorien, deren Schonung im staatlichen und öffent-
lichen Interesse geboten ist, und es gilt für sie die Bestimmung des 2. Satzes
des Art. 58, wonach dort, wo ohne Schädigung der öffentlichen Wohlfahrt
die gleiche Verteilung der Lasten sich nicht herstellen läßt, die Ausgleichung
nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzustellen
ist. Die gesetzliche Regelung der Verteilung der Naturalleistungen für die
bewaffnete Macht ist für den Friedenszustand durch das Ges. v. 25. Juni 1868
in der Fassung v. 24. Mai 1898 R.G. Bl. S. 361 geregelt; dieses Gesetz ist
durch das Ges. v. 9. Juni 1906 R. G. Bl. S. 735 abgeändert, das im wesent-
lichen eine Erhöhung der Vergütung für die Naturalverpflegung der Mann-
schaften bestimmte; für den Kriegszustand ist das Reichsges. v. 13. Juni 1873
R.G. Bl. S. 129 erlassen. Der aus der Natur dieser Leistungen sich not-
wendig ergebenden Ungleichmäßigkeit der Belastung ist durch das diesen
Gesetzen innewohnende Prinzip der vollen Entschädigung für die in Anspruch
genommenen und erfüllten Leistungen die Spitze abgebrochen.
Was endlich die Deckung der Kosten anbetrifft, zu der gegenüber den
Einzelstaaten das Reich verpflichtet ist, so wird dabei wie folgt verfahren:
Gemäß Art. 62 R.V. wird die Summe von Kosten, die notwendig find,
um den Aufwand für das gesamte Heer zu bestreiten, ferner die Veraus-
gabung dieser Summe für das Heer und dessen Einrichtungen durch das
Etatsgesetz des Reichs festgestellt. Da auf Grund der gemäß Art. 66 R.V.
geschlossenen Militär-Konventionen alle Einzelstaaten außer Bayern, Württem-
berg und Sachsen die Militärverwaltung auf Preußen übertragen haben,
so werden durch das Etatsgesetz ferner die Summen festgestellt, die jedem
der vier Kontingente zur Durchführung der Verwaltung gebühren, und zwar
wird für Preußen, Württemberg und Sachsen im Etat die Summe mit der
den Vorschriften und Gewohnheiten des Etatsrechts entsprechenden eingehenden
Spezialifierung der einzelnen Ausgaben, für Bayern dagegen mit Rücksicht auf
die diesem Staate zustehenden weitergehenden Rechte der eigenen Verwaltung
nur der Gesamtsumme nach festgestellt — dies entspricht der Bestimmung
des Bündnisvertrages v. 23. Nov. 1870 III § 5II B. G.Bl. 1871 S. 19.
Die Heeresverwaltung wird für Rechnung des Reichs geführt, wie
durch Art. 67 R.V. — indirekt — zum Ausdruck gebracht ist, und die