Die Kanzlerschaft Bismarcks nach dem Kriege
zerfällt in zwei sehr verschiedene Abschnitte. Der
eine wird bestimmt durch den Kulturkampf, der
andere durch den Schutzzoll, das Sozialistengesetz
und die Sozialreform.
Den Anlaß zum Kulturkampf gab die Bildung
der Zentrumspartei im Jahre 1870. Es war die
Fortsetzung der alten katholischen Partei, die schon
in der Konfliktszeit eine wesentliche Rolle gespielt
hatte, und auch wieder nicht. Zwar bildete der
Katholizismus und die Masse des katholischen Teils
der Staatsbürger das Gros der neuen Partei;
nichtsdestoweniger lehnte sie es ab, eine prinzipiell
katholische Partei zu sein, und stellte als ihr eigent-
liches Wesen die Verteidigung des Föderalismus
gegen die unitarischen Tendenzen des neuen Reichs
hin. Das hätte nun Bismarck an sich nicht zuwider
zu sein brauchen, denn auch er war ja keineswegs
ein Unitarier. Dennoch sah er in der neuen Grün-
dung einen Akt der Reichsfeindlichkeit, denn in
der neuen Partei fand sich alles zusammen, was
der Reichgründung widerstrebt hatte, die Parti-
kularisten, die die Wiederherstellung Hannovers
forderten, die Großdeutschen, die den Ausschluß
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