Neben Schutzzoll und Kompromiß mit dem Zen-
trum erschien nun aber noch ein drittes Moment,
die Parteiverhältnisse umzuwandeln. Die Sozial-
demokratie, die seit Anfang der sechziger Jahre
angefangen hatte, sich parteipolitisch zu organisieren,
nahm einen ganz ungeahnten Aufschwung, und in
psychologischem oder, wenn man will, psycho-
pathischem Zusammenhang mit ihrer wilden Agi-
tation erfolgten dicht hintereinander zwei Atten-
tate auf den ehrwürdigen Kaiser Wilhelm. Schon
nach dem ersten Attentat legte Bismarck dem Reichs-
tag ein Gesetz vor, das die sozialdemokratische Be-
wegung mit scharfem polizeilichen Zugriff fesseln
sollte. Die Nationalliberalen und die erdrückende
Mehrheit des Reichstags lehnten es ab. Nach
dem zweiten Attentat, bei dem der Kaiser
schwer verwundet wurde und das das ganze Volk
mit einer ungeheuren Erbitterung erfüllte, löste
Bismarck den Reichstag auf. Die Auflösung wäre
nicht nötig gewesen, denn die Nationalliberalen
waren jetzt ohnehin bereit, sich auf ein Ausnahme-
gesetz einzulassen, und auch nach den Neuwahlen,
die ihnen etwa 50 Sitze kosteten, die den Konser-
vativen und Freikonservativen zufielen, blieb die
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