Beamtentum und Sozialpolitik. 181
Patrioten- und Kriegspartei bis zum äußersten. Parteien
sind immer spezifische Produkte ihrer Zeit und ihres Volkes.
Immer aber muß ihnen eine gewisse Einseitigkeit in der
Auffassung der Staatsaufgabe notwendig anhaften, sonst
wären sie keine Parteien, und das legt der von ihnen ge-
leiteten Politik starke Beschränkungen auf.
Von allen diesen Schwächen und Einseitigkeiten ist das
monarchische Regierungssystem frei und das gibt ihm einen
großen Vorsprung. Wie ist es gekommen, daß Deutschland in
der Sozialpolitik allen anderen Ländern soweit voraus gewesen
ist? Zuerst natürlich, weil wir einen Staatsmann wie Bismarck
hatten, der einen solchen Gedanken durchführen konnte,
weiter aber, weil das Beamtentum in unserem Staate
einen Indifferenzpunkt bildet, weil der Beamte zwischen
allen Ständen und Interessen steht und darauf angewiesen
ist, das Wohl des Ganzen im Auge zu haben. Dahin-
gegen eine Partei kann nie unparteiisch sein. Sie können
in England, Amerika, Frankreich, die Dinge immer nur
unter einem gewissen beschränkten Gesichtspunkt ansehen
und nicht so unbedingt unter dem Gesichtspunkt des Ganzen.
Ohne eine Art von unparteiischem Schiedsrichtertum, wie
es dem König und seinen Beamten zwischen den streitenden
Interessen der verschiedenen Klassen naturgemäß innewohnt,
ist es kaum möglich, zu einer guten Sozialpolitik zu kommen.
Dann gibt ja die Sozialpolitik auch eine gewisse Gewalt
in die Hand der Regierung. Die kann man nicht in die
Hand einer Partei geben. Wir sehen das an einem der
wichtigsten Punkte, dem Eisenbahnsystem, der Frage der
Staats- oder Privatbahnen. Das Staatebahnsystem ist
nicht nur deshalb das bessere, weil es den Gewinn aus
den Bahnen der Gesamtheit zuführt und nicht in der Hand
von einzelnen läßt, sondern weil die Eisenbahn eine große