Proporz. 21
Mill glaubte, diese Schwierigkeiten durch das Pro-
portionalwahlsystem überwinden zu können, und der
Gedanke hat seitdem immer mehr Anklang gefunden. Die
einfachste Methode ist die Minoritätenvertretung, indem man
Wahlkreise mit drei Abgeordneten bildet und nicht alle drei
der Majorität gibt, sondern einen davon der Minorität,
falls diese eine gewisse Stimmenzahl erlangt hat. Aber
damit ist nicht durchzukommen, da es ja auch mehr als
zwei Parteien geben, und der Ausfall durch den Zufall
bestimmt werden kann, wie sich die Stimmen auf die beiden
hier vorausgesetzten Kandidaten der Majorität verteilen.
Man hat seitdem zahllose verschiedene Systeme für die
Proportionalwahl ausgeführt (d’Hondt — ein Belgier —
Hagenbach, Kantorowicz, Siegfried und viele andre). Not-
wendig sind dabei immer große Wahlkreise mit mehreren
Kandidaten. Aber noch kein System hat allgemeinen
Beifall gefunden. Sie sind alle unsicher in der Wirkung
und hängen z. B. davon ab, daß die Parteien ihre Stärke
richtig einschätzen und ihre Stimmen so verteilen, daß
keiner der ihrigen zuviel Stimmen erhält. In der
Schweiz, in einigen Staaten von Nordamerika, in Hamburg
und in Württemberg ist diese oder jene Art der Pro-
portionalwahl heute bereits in Kraft. Der Name „Proporz“
ist dafür im Jahre 1890 in Basel zuerst mit einem
spöttischen Beiklang aufgekommen. Das dort bis dahin
bestandene System der Majoritätswahl wurde „Majorz“
genannt. Besonders wichtig ist, daß heute in Frankreich
die Einführung des Proporzes anstelle der einfachen
Majoritätswahl mit Eifer betrieben wird. Die französische
Republik hat seit 1871 bereits dreimal ihr Wahlsostem
geändert: 1875, 1884, 1889. Aber das französische Volk
ist dauernd sehr unzufrieden mit den Ergebnissen seiner
Auftreten des
Proporz-
gedankens in
Frankreich.