Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

    
väischen Betrieben Geld zu verdienen, sahen die ostafrikanischen Neger nicht die segens- 
reichen Wirkungen der deutschen Herrschaft, sondern nur deren lästige Anforderungen. 
Warum bezahlte man jährlich 3 Rupien Stener, warum arbeitete man jahraus jahrein 
an der Instandhaltung 5 m breiter Straßen, während doch dem Karawanenträger von 
alters her der ausgetretene Fußpfad genügt hatte? Warum sollte man Baumwollfelder 
anlegen, warum dem steten Dräugen nachgeben und auf den enropäischen Pflanzungen 
zur Arbeit gehen? Andere Stämme, wie die Mahenge und Wangoni, entsannen sich der 
schönen Zeiten, wo sie als Magwangwara und Mafiti alle drei, vier Jahre, wenn die herau- 
gewachsene Ingend Weiber und Vieh brauchte, um sich einen Hausstand zu gründen, 
die Nachbarvölker sengend und mordend brandschatzen durften. 
Zielbewußte Führer machten sich diese Unzufriedenheit und den Aberglauben 
zunutze. Es entwickelte sich eine weitverzweigte Verschwörung, teilweise unter den 
Formen eines religiös-mystischen Geheimbundes, in dem das Zauberwasser (Madji- 
madji) das kugelfest machen oder die Wiederauferstehung der Gefallenen garantieren 
sollte, eine große Rolle spielte. Von der Gefährlichkeit dieser Negerverschwörungen legt 
die Tatsache Zeugnis ab, daß trotz der vielen Tausende von Mitwissern weder einem 
Augehörigen der farbigen Truppe noch der Mission etwas zu Ohren kam, ehe der Aus- 
bruch — allerdings früher, als die Leiter es gewollt hatten — erfolgte. 
Im Juli 1905 kam es im Bezirk Kilwa zu Unbotmäßigkeiten gegen farbige Regierungs- 
beamten. Die Polizeiabteilung, die die Ordnung wiederherstellen wollte, wurde an- 
gegriffen, der Telegraph durchschnitten, farbige Händler und ein Weißer ermordet. 
Bald stand das ganze Matumbibergland im Aufstande, den die von Lindi requirierte 
dritte und die von Daressalam herangezogene fünfte Kompagnie zu ersticken versuchte. 
Im August fiel der Posten Liwale, wobei die zwei Enropäer und die farbigen Askari 
nebst Frauen und Kinden den Tod fanden; eine Ersatzabteilung, die aus Ssongea heran- 
rückte, wurde ebenfalls niedergemacht. Im September wurde gar der Bischof Cassian 
Spiß mit mehreren Begleitern erschlagen, der allen Warnungen zum Trotz den Marsch 
zur Inspektion seiner Missionsstationen angetreten hatte. Der moralische Eindruck 
deser Ermordung einer ganzen Anzahl von Europäern war natürlich außerordentlich 
edenklich. 
Michaledem war erwiesen, daß es sich um mehr als einen örtlichen Putsch handelte. 
Man berief von Deutschland die Urlauber ein, verstärkte die Feldkompagnien durch 
Polizeisoldaten und stellte neue Kompagnien durch Neneinstellung des weißen und 
Anwerbung des farbigen Personals auf. Auch der Kreuzer „Bussard“ sprang mit 
seinem Landungskorps hilfsbereit ein, von dem sich besonders die Abteilung des Ober- 
lentnants z. S. Paasche am Rufidji auszeichnete. Weniger bewährte sich eine Kompagnie 
Marineinfanterie, die nur zur Besetzung der Küstenorte benutzt werden konnte. Sie 
bestätigte durch ihr völliges Versagen auf Märschen ins Innere die Erfahrungstatsache, 
daß geschlossene enropäische Abteilungen in den Tropen höchstens nach langer Trainierung 
und unter besonderen Umständen verwendbar sind. Die besseren Erfahrungen, die man 
mit den Matrosen machte, beruhten wohl auf dem physisch erheblich besseren Ersatze. 
Dagegen waren die Seesoldaten Muster von Disziplin und Wohlverhalten. 
In Oktober standen auch die Bezirke Lindi, Morogoro (Kilossa) und Daressalam in 
hellen Flammen. Im Innern wehrten sich die Stationen Mahenge unter Hauptmann 
von Hassel und Ssongea unter Bezirksamtmann Richter mit großem Schueid aber mit 
knapper Not gegen die Rebellen, die in gewaltigen Massen und wahnwitziger Todes- 
verachtung gegen die Askari und die Maschinengewehre anstürmten. 
Unterdes waren die Konzentrationen und Nenuformationen so weit gediehen, daß 
zwei große Expeditionskorps auf den mittleren und südlichen Kriegsschauplatz entsandt 
werden konnten. Auf dem Wege nach Mpapua und am Ruaha operierte der Major 
kuressen Schleinitz, nuch Ssongea und dem Nijassa zu setzte sich der Major Johannes 
in Marsch. 
Es war ein Glück, daß zwei aueinandergrenzende Innenbezirke wie einc feste 
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