Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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Die gesteigerte Ausfuhr ist also ein Ergebnis der Plantagenwirtschaft und der Eisenbahn, 
d. h. der Europäertätigkeit; abgesehen von dem Posten Häute und Felle spielt die 
Eingeborenenproduktion nur bei Kopra und Baumwolle eine gewisse Rolle. 
Uber die Entwicklung der Finanzen gibt umseitige Tabelle Aufschluß. 
Wer den im vorstehenden geschilderten Entwicklungsgang der Kolonie verfolgt 
hat, wird mir darin beistimmen, daß ihre Aussichten günstig sind. Freilich die Hoff- 
nungen, die zu ihrer Gründung führten, wird sie nicht erfüllen; ein Ansiedelungsgebiet 
für Hunderttansende von Deutschen wird sie nicht werden. Die viel umstrittene Frage 
der Besiedelbarkeit ist so anzusehen. Zweifelsohne gibt es in Ostafrika Landstriche gemg, 
welche einer Besiedelung durch Weiße offenstehen, und in denen diese ohne Gefahr für 
ihre Gesundheit wohnen, arbeiten und sich fortpflanzen können. Die Frage ist nur, 
ob sie durch ihre Arbeit die Einkünfte beziehen können, die ihnen das Leben in Deutsch- 
Ostafrika erstrebenswert erscheinen läßt. Für uns Ostafrikaner unterliegt es keinem 
Zweifel, daß man sich im Lande wohl fühlen kann auch ohne die Aussicht, Schätze zu 
sammeln. Das Leben in und mit der großen und schönen Natur, die Freiheit und 
Herrenstellung, die dem Weißen drüben winken, wiegen uns alle Kulturgenüsse Europas 
und alle Aussichten auf Erwerb von Reichtum auf. Wir sind zufrieden, wenn uns 
Ostafrika einen bequem auskömmlichen Lebensunterhalt bietet. Damit soll nicht gesagt 
sein, daß der Erwerb von Reichtum ausgeschlossen ist. Mancher Landsmann hat Hundert- 
tausende, einer sogar in nur fünfzehnjähriger, allerdings angestrengter Tätigkeit eine 
Million erworben. Aber das sind besondere Fälle; solche Erfolge winken dem Ansiedler 
nicht. Er erstrebt ein sorgenfreies und schönes Leben für sich und die Seinen. 
Entgegengetreten werden muß mit Entschiedenheit der Ansicht, als ob es genügt, 
mit thnesunden Fäusten und gutem Willen nach Deutsch-Ostafrika zu gehen, um dort 
als Ansiedler sein Auskommen zu finden. Zur Reise, Ausrüstung, Einrichtung und zur 
Bestreitung des Unterhaltes in den ersten Jahren bedarf es eines kleinen Kapitals, 
das ziemlich übereinstimmend auf mindestens 10 000 Mark geschätzt wird. Aber es 
ist zweifelhaft, ob diese Kleinsiedler, wenn sie nicht sehr von Glück begünstigt sind, 
existieren können. Es genügt nicht, einige Kühe zu halten und Gemüse und Korn für 
den eigenen Bedarf zu bauen. Man braucht Geld, um sich Kleidung zu kaufen, das 
Haus zu bauen und instand zu halten, Werkzeuge zu beschaffen, den Kindern Schul- 
bildung zukommen zu lassen, farbige Arbeiter zu besolden usw. Wo es möglich ist, dem 
Kaffeebau Erträge abzugewinnen, wie in den Bezirken Moschi und Bukoba, die mit 
dem Weltmarkte durch Bahnen und Dampfschiffe in Verbindung stehen, da gelingt 
das nicht allzuschwer. Wo aber der Farmer auf Viehzucht und europäischen Ackerbau 
beschränkt ist, da ist es, selbst wenn Viehsenchen ausbleiben, schwer, die Produkte in 
Geld umzusetzen. Das zeigt Südwestafrika. Deshalb ist es im allgemeinen nur jungen 
Männern, die 50 000 bis 60 000 Mark zur Verfügung haben, zu raten, in Deutsch- 
Ostafrika Ansiedler zu werden; das sind die von Paul Samassa („Die Besiedelung 
Deutsch-Ostafrikas“) sogenannten Gentlemenfarmer, die auch eher über die Bildung 
verfügen, die in einer Rassenkolonie wünschenswert ist, als der Kleinsiedler. Ist dem 
aber so, dann ergibt sich von selbst, daß wir in Zukunft zwar eine große Anzahl von 
Farmen in einzelnen Teilen Deutsch-Ostafrikas sehen werden, aber keine dichte Be- 
siedelung mit Dörfern und Marktflecken. 
Ich erblicke die Zukunft der Kolonie in der Entwicklung der Plantagenkultur. 
Allerdings sind Kolonialprodukte ganz besonders vom Markte abhängig. Denn bei 
dem hohen Gewinn, den sie zu bringen pflegen — Sisalkulturen 1907 bis 500 Mark 
pro Hektar! — fordern sie zur Konkurrenz und Uberproduktion direkt heraus. So ging 
es in den neunziger Jahren mit dem Kaffec, und so geht es gegenwärtig mit dem Kaut- 
schunk. Aber glücklicherweise bewegen sich die Preiskurven, kolonialer Erzeugnisse in 
Kurven mit Tiefen und Höhen und alle drei Hauptprodnkte unserer Pflanzungen sind, 
wenn sie auch schon auf das Rentabilitätsminimun herabgedrückt waren, allen düsteren 
Prophezeiungen zum Trotz immer wieder hoch emporgeschnellt. Die Hauptgefahr der 
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