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Plantagenkultur liegt in der Arbeiternot, einmal überhaupt in einem unzureichenden
Angebot von Arbeitskräften, sodann aber in der Gefahr, daß bei der Konkurrenz um
die wenigen Arbeiter die Löhne — einschließlich der Anwerbe- und Transportkosten —
so viel größer werden, daß wir mit billiger arbeitenden Tropenländern nicht konkurrieren
können. Von dieser Gefahr ist gesprochen worden. Die Viehzucht erfordert weniger
Arbeiter, ist aber beständig von der Seuchengefahr bedroht. Außerdem ist ihr gefährlich
die tote Periode, in der sie schon so viel produziert, daß lohnender Absatz im Lande nicht
mehr möglich ist, aber noch nicht genng, als daß die Anlage von Konservenfabriken sich
lohnte. Jedeufalls stehen weite und reiche Weidegründe zur Verfügung, die eine
umfangreiche Viehzucht ermöglichen. Uber die Aussichten des Bergbaues zu sprechen,
erübrigt sich. Geologisch sind große Funde nicht ausgeschlossen, aber doch ganz vom
Zufall abhängig. Wie wir sehen, werden Gold, Glimmer und Salz schon mit Er-
folg gefördert.
Die Ausnutzung der Holzbestände wird sich nur in beschränktem Umfange er-
weitern lassen.
Eine Industrie wird in absehbarer Zeit nur so weit möglich sein, als sie den Bedarf
der Kolonie selbst befriedigt.
Der Handel steht auf den Schultern der Landesproduktion. Die Plantagen
exportieren ihre Erzengnisse selbst. Für den Auffauf zur Ausfuhr kommen daher
wesentlich nur die Ergebnisse der Viehzucht (Häute und Felle) und Jagd (Elfenbein)
sowie der Eingeborenentätigkeit (Kaffee, Baumwolle, Kopra, Sesam, Erdnüsse,
Reis, Wachs, Kautschunk, Kopal) in Betracht. Der Exporthandel steigt und fällt daher
mit der Eingeborenenproduktion. Diese aber ist von mehreren Faktoren abhängig.
Zunächst kommt es darauf an, wie weit der Besitz der vom Handel angebotenen Gegen-
werte (Waren) dem Eingeborenen notwendig ist oder doch so wünschenswert erscheint,
daß er seine Indolenz überwindet und über den Eigenbedarf produziert. Die Hoff-
nungen erscheinen bei dem Charakter unseres Negers nicht allzugroß. Sodann bedarf
der Eingeborene ganz besonders weiterer Eisenbahnen, um seine Produkte auf den
Markt zu bringen, weil er nicht, wie der Europäer in räumlicher Konzentration um
gegebene (Rufidji) oder geschaffene (Bahnen) Abfuhrwege angesiedelt ist, sondern
überall im Lande. Eingeborenenkulturen und Plantagenproduktion schließen sich in
gewissem Grade aus, wo die Arbeitskräfte knapp sind. Es wird daher die Frage von
Wechtigkeit sein, welche Art Arbeit dem Eingeborenen sympathischer und lohnreicher
erscheint. Deshalb wird keineswegs absolute Lohndrückerei das Richtige sein, sondern
eine Behandlung und Bezahlung, die den Neger verlockt, von seiner Schamba auf
die Plantage zu ziehen, aber auch nicht eine Lohntreiberei, die den Plantagenbau
unrentabel macht.
Wir bemerkten bereits, daß die Eisenbahnbauten mehr noch der Eingeborenen-
als der Europäerproduktion zugute kommen. Denn zahlreiche Arbeiter werden die
Bahn nicht benutzen, um darauf zu den Arbeitsstätten in den Küstengebieten zu gelangen
sondern die Gelegenheit ergreifen, um Selbstproduzent zu werden und ihre Erzengnisse
küstenwärts zu senden. Ein Allheilmittel ist deshalb der Bahnban für die Kolonie nicht.
Dennoch werden weitere Bahnen gebant werden müssen. Eine reine Europäerbahn,
eine Bahn, die der Abfuhr ihrer Produktion dient, ist die Nordbahn von Tanga zum
Kilimandjaro. Sie wird zum Mern fortgesetzt werden und mit der fortschreitenden
Besiedelung vielleicht darüber hinans. Indes darf man nicht um jedes Hundert nener
Farmer willen den Bau von neuen hundert Kilometer ohne weiteres für berechtigt
halten, am wenigsten aber die Fortführung der Nordbahn zum Victoria-Njansa ver-
langen, um der britischen Ugandabahn Konkurrenz zu machen. Diese Bahn hat außer-
ordentlich befruchtend auf unsere Gebiete am Virtoriasee gewirkt und wenn die Eng-
länder wie bisher auch weiter in Loyalität gegen unsere Interessen diese Bahn betreiben,
die ihnen nur 2 Proz. Zinsen bringt, können wir sehr zufrieden sein. Die wichtigste
Bahn, die wir noch brauchen, ist eine Stichbahn in das von drei Millionen Menschen