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bei ihnen unter dem Einfluß der Missionare feste Niederlassungen entstanden und
Garteubau getrieben wurde, so waren und sind sie noch heute in ihrem ganzen
Sinnen und Trachten Nomaden geblieben. Immer wieder bricht durch die leichte
Tünche einer oberflächlichen Kultur ihr unbesiegbarer Hang zum ruhelosen Umher-
wandern hervor. Sie sind in all ihren Stämmen ein Jäger-- und Kriegervolk,
und diese Rastlosigkeit ihres Charakters hat im Zusammentreffen mit den Weißen
ihr Schicksal besiegelt. Gleich den Herero sind sie zudem von einem schwer zu
beschreibenden Dünkel und Hochmut erfüllt — Eigenschaften, die es verstehen
lassen, wenn der Hottentott noch heute den weißen und schwarzen Mann mit
verächtlichem Achselzucken als den Angehörigen einer untergeordneten Rasse be-
trachtet. Das Todesurteil hat der hottentottischen „gelben“ Rasse schließlich ihre
unverbesserliche Raublust gesprochen, die sich ebenso in ihren Kriegen gegen die
Herero, wie später in dem Zusammentreffem mit den Deutschen geltend machte.
Kehren wir nun zurück zur Geschichte des Schutzgebiets! Gegen Ende des
Jahres 1892 trat ein Ereignis ein, das niemand voransgesehen hatte und das
der Lage der Deutschen eine überaus drohende Wendung gab. Plötzlich nämlich
durcheilte die Kunde das Land, daß Hendrik Witbooi, der führende Häuptling der
Naman, und Samuel Maharo, der Oberhäuptling der Herero, Frieden zu
schließen geneigt seien, und bald zeigte es sich, daß diese unvermutete Wen-
dung der Dinge das Ziel im Ange hatte, die bisher anscheinend so unversöhn-
lichen Gegner zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Deutschen zu vereinen.
Mit klarem Aunge hatte der Hauptmann von Francois die drohende Gefahr
erkannt, und das Ergebnis dieser Erlkenntnis bildete das Eintreffen von 200
dentschen Soldaten, der ersten größeren Schutztruppe, im März des Jahres 1893.
Schlag auf Schlag folgten nun die Ereignisse, die den Grund legten zur Auf-
richtung und Festigung der deutschen Herrschaft in Südwestafrika. Schon im April
1893 erklärte Hauptmann von Frangois den Krieg an Hendrik Witbooi, den
er mit erfolgreichen Gefechten begann und den sein Nachfolger, Major Leutwein,
im folgenden Jahre glücklich beendete. Mit diesem Kriege hatten die Deutschen die
erste kraftvolle Erklärung abgegeben, daß sie gewillt seien, so oder so sich zu
Herren des Landes zu machen. Eine weitere Folge dieses festen Willens der
Deutschen war der erste Hereroaufstand im Jahre 1896 und fernerhin — neben
zahlreichen kleineren Kriegszügen — endlich als Abschluß die Niederwerfung des
großen Aufstandes in den Jahren 1904—19066.
Die Kriegstaten der Deutschen in Südwestafrika erstrecken sich über einen
Zeitraum von 13 Jahren. Sie waren in keinem Fall, wie dies späterhin öfter
in leichtfertiger Weise behauptet worden ist, willkürlich geführte Angriffskriege,
sondern sie wurden den Deutschen ausnahmslos durch die Eingeborenen aufge-
zwungen, die sich durch die wachsende deutsche Macht und die Zunahme des
Einflusses der weißen Rasse in ihrem freien, zügellosen und kulturfeindlichen
Walten bedroht sahen. Diese mit wilden und blutigen Kämpfen angefüllten
Jahre haben es aufs neuc bewiesen, daß Kolonisieren — besonders in Sied-
lungskolonien — eine Machtfrage ist und bleiben wird. Hatte doch auch schon
die Geschichte fast aller kolonisierenden Völker dargetan, daß starken und selbst-
bewußten eingeborenen Völkern gegenüber der Kultur der weißen Rasse am letzten
Ende mit dem Schwerte Bahn geschaffen werden muß.
Im Jahre 1893 traf die bereits erwähnte erste größere Verstärkung der
Schutztruppe gerade noch zur rechten Zeit ein, um die in Windhnk versammelten
Dentschen vor schwerer Schädigung, vielleicht vor der Vernichtung, zu bewahren.
Hendrik Witbooi von Gibeon, der stets trotzig jede Unterstellung unter das
Deutsche Reich und jeden Abschluß eines Schutzvertrages abgelehnt hatte, stand
nach dem Friedensschlusse mit den Herero auf dem Sprunge, über die ihm ver-
haßten Deutschen herzufallen. Seine Späher umlagerten Windhuk, und Ange-