Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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Die Gemeinde-Selbstverwaltung besteht zurzeit für folgende kommunalen 
Verbände: Windhuk, Klein-Windhuk, Swakopmund, Karibib, Omaruru, Okahandjia, 
Keetmanshoop, Lüderitzbucht, Usakos und Tsumeb. 
Dem Landesrat gehört eine große Zahl altbekannter und mit der Entwicklung 
des Schutzgebiets seit langen Jahren eng verknüpster Männer an, deren Rat und 
Mitarbeit sich für die Regierung bereits in zahlreichen Fällen als überaus 
segensreich erwiesen hat. Wenn ihnen bisher nicht ein weit ausgedehnteres be- 
schließendes Recht zugebilligt wurde, so lag das vor allem an etatsrechtlichen Be- 
denken — weil nämlich das Reich noch einen sehr bedeutenden Zuschuß zur 
Verwaltung des Landes gibt, über den sich die Regierung das Bestimmungsrecht 
nicht nehmen lassen will. Gleichwohl muß gesagt werden, daß die Ausdehnung 
des Beschlußrechts des Landesrats für die Entwicklung und Zukunft des Schutz- 
gebiets von höchster Bedeutung wäre, besonders weil ein großer Teil der 
Regierungsbeamten stets nur kurze Zeit im Lande ist und in dieser kurzen Zeit 
genügende Erfahrungen nicht zu sammeln vermag. Hieraus leitet sich der Um- 
stand her, daß Landesrat und Regierungsvertreter in wichtigen Fragen vielfach 
durchaus entgegengesetzter Meinung sind. Andererseits hat der Landesrat vielfach 
die Lösung schwieriger Fragen dadurch wesentlich erleichtert, daß er durch seine 
Beschlüsse die volle Verantwortung übernahm und dadurch der Regierung den 
Rücken stärkte. Besonders dem deutschen Reichstag gegenüber, der derartige 
Fragen mehrfach vom heimischen Standpunkt aus beurteilen und erledigen wollte. 
Die wichtigste der im Schutzgebiet noch zu lösenden Aufgaben ist die so- 
genannte „Ovambofrage“, d. h. die Frage, wie sich das Verhältuis der im Norden 
noch frei schaltenden Ovambostämme zu den Deutschen gestalten soll. Im Hin- 
blick auf den möglichen Ausbruch eines Krieges mit den Ovambo zögert die 
deutsche Regierung seit Jahren, dieser Frage energisch näherzutreten. Ihre Lösung 
wird aber immer dringender, weil das Aufblühen aller Zweige der Wirtschaft 
Südwestafrikas durch Arbeitermangel bedroht wird und weil, wie bereits bei der 
Schilderung des Ambolandes erwähnt wurde, dieses Gebict als Reservoir der 
einzigen noch vorhandenen bedeutenden Arbeiterbevölkerung ein nicht hoch genug 
einzuschätzendes Wertobjekt für das Schutzgebiet bildet. Dieses Wertobjekt muß 
geschützt und gesichert werden, und zwar in einer mehr energischen und ziel- 
bewußten Weise, als dies bisher seitens der Regierung geschehen ist. 
Zum Verständnis der Ovambofrage, über die meist recht schiefe und wirre 
Ansichten und Urteile abgegeben worden sind, gehört vor allem ein kurzer Über- 
blick über die historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen Deutschen, Ovambo 
und den im Norden Südwestafrikas angrenzenden Portugiesen. 
Noch ein Jahrzehnt nach der Besitzergreifung Südwestafrikas durch die Deut- 
schen drang kaum eine Nachricht von den ganz abgeschlossen im Norden sitzenden 
Ovambo nach Süden bis zur deutschen Einflußsphäre vor, und bis zum Jahre 
1896 hatte ich persönlich niemals einen Ovambo gesehen, trotzdem ich vom Jahre 
1893 ab als Kompagnieführer und Distriktchef dauernd im Damaralande gelebt 
hatte. Die deutsche Regierung, die zu jenen Zeiten in die ersten schweren Kriege 
zur Befestigung ihrer Herrschaft gegen Hendrik Witbooi und die Ost-Herero ver- 
wickelt war, hatte naturgemäß meder Zeit, Lust noch einen Grund, sich mit den 
weit entfernt wohnenden Ovambo zu beschäftigen. Und die Herero, die den 
Deutschen argwöhnisch gegenüberstanden, taten ihrerseits alles, um die Zahl, die 
Macht, die Bewaffnung und deu kriegerischen Geist der Ovambo als unüberwind- 
lich hinzustellen und sie als ihre geborenen Bundesgenossen zu bezeichnen. So 
waren die Nachrichten, die in den ersten Jahrzehnten der deutschen Herrschaft 
aus dem Ambolande nach Süden drangen, höchst unsichere und unvollkommene. 
Selbst durch die Missionare der finnischen Missionsgesellschaft waren zu jenen 
Zeiten keine sicheren und erschöpfenden Nachrichten zu erlangen, da nur selten 
       
	        
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