Natur ist erst allmählich durch sogenannte Grenzexpeditionen erfolgt, wie solche
neuerdings auch zur Ausführung des Abkommens über Aquatorialafrika entsandt
worden sind. Da das jeweilig zur Verfügung stehende Kartenmaterial sehr un-
genau war, ist die Aufgabe der Grenzexpeditionen zumeist eine sehr schwierige ge-
wesen. Z. T. erwiesen sich die Grenzbestimmungen überhaupt nicht als durchführ-
bar. Mehrfach stellte es sich auch heraus, daß Gebiete, die von einer der be-
teiligten Mächte bereits in Besitz genommen waren, in Wirklichkeit der anderen
gehörten, oder es erschien zweckmäßig, die Grenzen in einer mehr den natür-
lichen Verhältnissen angepaßten Weise festzusetzen. So hat denn die Tätigkeit
der Grenzexpeditionen zu einer ganzen Reihe von nachträglichen Grenzverein
barungen Anlaß gegeben. Eine solche ist z. B. am 11. August 1910 mit Belgien
bezüglich der Nordwestecke OÖstafrikas, der Gegend des Kivusees getroffen worden,
wo Deutschland sich zur Uberlassung der Jusel Kwidjiwi an die Kongokolonie
genötigt sah.
Die für den heutigen kolonialen Besitzstand Deutschlands in Betracht kom-
menden Verträge sind sämtlich, und zwar auch soweit darin eine Verpflichtung
zur Aufgabe bereits unter deutsche Hoheit gestellter Gebiete vorgesehen war, nur
auf Grund Kaiserlicher Genehmigung abgeschlossen worden. Da die dem Kaiser
durch die Reichsverfassung erteilte Vollmacht zur völkerrechtlichen Vertretung des
Reichs in Ansehung der Schutzgebiete nach keiner Richtung hin beschränkt war, ist
diese Praxis auch durchaus eine gesetzliche gewesen. Erst neuerdings bei den Ver-
handlungen über den Marokko-Kongo-Vertrag hat der Reichstag daran Anstoß ge-
nommen. Da die Regierung das Verlangen des Reichstags nach einem Mitbe-
stimmungsrecht bei erheblichen kolonialen Gebietsveränderungen als berechtigt au—
erkannte, ist dem Schutzgebietsgesetz eine Vorschrift hinzugefügt worden, wonach es
zum Erwerb und zur Abtretung eines Schutzgebiets oder von Teilen eines solchen
eines Reichsgesetzes bedarf. Auf Grenzberichtigungen soll diese Bestimmung keine
Anwendung finden, so daß Gebietsanstausche, die sich infolge von Grenzvermes-
sungen als notwendig erweisen, nicht darnnter fallen.
Die Rechtsstellung der Bevölkerung in den Schutzgebieten.
In den Schutzgebieten findet sich neben der eingewanderten weißen Bevölke-
rung und einzelnen Weißen, die sich dort schon vor Begründung der deutschen
Herrschaft als Handeltreibende, Farmer oder Missionare niedergelassen hatten,
eine zahlreiche farbige Bevölkerung vor. Sie setzt sich aus den mannigfachsten
Elementen zusammen. Den Hauptteil bilden alteingesessene Stämme, die ent-
weder autochthon oder an die Stelle einer von ihnen verdrängten Urbevölkerung
getreten sind, wie z. B. in den afrikanischen Kolonien Bantuneger, Sudannmeger,
Hamiten, Buschmänner, Damaras, Hottentotten, auf Kaiser-Wilhelmsland die
Papuas, im Bismarckarchipel die Melanesier, in den Inselgebieten von Neu-
guinea die Mikronesier, ferner die Samoaner und in Kiantschon die Chinesen.
Dazu treten Mischvölker wie die Sunaheli in Ostafrika, Mischlingsstämme, die
weißes Blut in sich haben, wie die Bastards in Deutsch-Südwestafrika, zahl-
reiche einzelne Mischlinge und endlich zugewanderte Angehörige fremder farbi-
ger Völker, wie Araber, Inder, Afghanen, Komorenser, Chinesen in der Südsec
und dergleichen mehr. So groß die Verschiedenheiten zwischen diesen einzelnen
Bevölkerungselementen sind, so ist doch der Abstand noch größer, der sie, nament-
lich soweit der Kulturstand in Betracht kommt, von der weißen Bevölkerung
trennt. Hierauf mußte anch in rechtlicher Hinsicht Rücksicht genommen werden.
Für eine rechtliche Gleichstellung mit der weißen Bevölkerung ist die farbige fast
durchweg noch nicht reif. Uberdies erscheint es im Interesse einer erfolgreichen
und friedlichen Kolonisation nötig, ihre altangestammten Sitten und Rechtsau-