Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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zweifellos ersprießliche Tätigkeit entfaltet. Mit der Zeit aber waren die Ver- 
hältnisse für die Beteiligung einer derartigen Körperschaft an der laufenden Ver- 
waltung zu groß geworden, während auf der andern Seite in die Zentralverwaltung 
immer mehr Beamte eingetreten waren, denen eine längere koloniale Erfahrung 
zu Gebote stand. Deshalb ist im Jahre 1908 der Kolonialrat durch einen Kaiser- 
lichen Erlaß anfgehoben worden. Dafür ist vorgesehen worden, daß beim Reichs- 
Kolonialamt einzelne Kommissionen unter Hinzuziehung von Sachverständigen 
gebildet werden können, um das Amt durch Beratung in Fragen zu unterstützen, 
für deren Beurteilung eine besondere Fachkunde erforderlich ist. Als solche 
Kommissionen bestehen zurzeit die „Landeskundliche Kommission“ für Zwecke der 
geographischen Erforschung der Schutzgebiete und die „Ständige wirtschaftliche 
Kommission der Kolonialverwaltung“, deren Bestimmung sich aus ihrer Be- 
zeichnung ergibt. 
In der Schutzgewalt des Kaisers ist auch die sog. Amtshoheit für die Schutz-= 
gebiete enthalten, also das Recht, über deren Verwaltungsorganisation Bestimmung 
zu treffen. Da die Verhältnisse noch stark im Flusse begriffen sind, ist von einer 
umfassenden Regelung bisher abgesehen worden. Der Kaiser hat von seinem Recht 
nur insofern Gebrauch gemacht, als durch eine Kaiserliche Verordnung vom 3. Juni 
1908 der Reichskanzler und mit seiner Ermächtigung oder Zustimmung auch die 
Gonuverneure bis auf weiteres für befugt erklärt worden sind, Anordnungen über 
die Einrichtung der Verwaltung in den Schutzgebieten zu erlassen, wobei selbst- 
verständliche Voraussetzung ist, daß die erforderlichen Mittel durch den Haushalts- 
etat bewilligt sind. Auch derartige Anordnnngen sind bisher nur vereinzelt er- 
gangen, hauptsächlich zum Zwecke der Bildung bestimmter neuer Behörden. Im 
übrigen hat sich die Organisation der kolonialen Verwaltung zum größten Teil auf 
gewohnheitsrechtlicher Grundlage entwickelt. 
An der Spitze in den einzelnen Schutzgebieten stehen die Gouverneure. (Früher 
war für die ersten Beamten in einzelnen Schutzgebieten auch die Bezeichnung 
„Landeshauptmann“ üblich.) Ihr Amt ist aus dem der Reichskommissare hervor- 
gegangen, die in der ersten Zeit, als noch der Gedanke der reinen Schutzpolitik 
maßgebend war, zur vorläufigen Führung der Geschäfte nach den westafrikanischen 
Kolonien endsandt wurden. Dem Reichskommissar für Kamerun war von Anfang 
an der Titel „Gouverneur“ beigelegt worden. In Deutsch-Ostafrika und Deutsch- 
Südwestafrika wurden nach der Übernahme der Verwaltung durch das Reich, in 
Kiautschon und auf Samoa alsbald nach dem Erwerb dieser Kolonien Gouver- 
neure eingesetzt. Die Gouverneure sind dem Reichskanzler und den Zentralbehör- 
den (Reichs-Kolonialamt, Reichs-Marineamt) untergeordnet, nehmen aber als 
höchste und leitende Beamte der Schutzgebiete, für deren gedeihliche Entwicklung 
sie in erster Linie die Verantwortung tragen, eine verhältnismäßig selbständige 
Stellung ein. Diese ist auch nach außen hin eine besonders gehobene. Die Gouver- 
neure genießen gewisse Ehrenrechte bezüglich des Saluts der Kriegsschiffe und des 
Besuchaustausches mit deren Kommandanten, und für die Dauer des Amts und 
des Aufenthalts außerhalb Europas steht ihnen das Prädikat „Exzellenz“ zu. Die 
Gouverneure sind die oberste Instanz für die verschiedenen Zweige der Zivilver- 
waltung in den Schutzgebieten und Vorgesetzte aller Beamten dort, haben das 
Recht, polizeiliche und sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften mit Straf- 
androhungen zu erlassen, worüber bereits unter „Gesetzgebung“ das Nähere be- 
merkt ist, und sind ferner auch hinsichtlich der Organisation der Verwaltung und 
der Eingeborenengerichtsbarkeit mit umfassenden Befugnissen ausgestattet. Dazu 
treten noch zahlreiche ihnen durch Einzelvorschriften auf den verschiedensten Ge- 
bieten, u. a. auch in Betreff der Gerichtsbarkeit über Weiße, beigelegte Zuständig- 
keiten. In den Händen der Gouvernenure liegt gleichzeitig die oberste militärische 
Gewalt in den Schutzgebieten. Sie haben über die Verwendung der in den drei
	        
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