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tobt, in Ostasien. Das äußere Gelbe Meer greift mit seiner Spitze, die Bucht von Kian-
tschou, hier in das Land hinein, so daß die Weltverkehrsstraße von Singapore—Hongkong—
Schanghai—Nagasaki und weiter nach der Union und Kanada an ihr vorbeiführt.
Dieser Nachteil ist aber vor kurzem behoben, denn die Dampfer des Norddeutschen.
Lloyd sowie der englischen Linie Peninsular and Onental Steam Navigation Company
(abgekürzt: P. and O.) laufen auf ihren Fahrten von Schanghai nach Nagasaki regel-
mäßig das Schutzgebiet an, während der Küstendienst der Hamburg-Amerika-Linie
die lokale Verbindung mit Schanghai und dem Norden Tschifu, Tientsin besorgt. Der
Umweg, den das Anlaufen von Tsingtan, so heißt der Hafen des Schutzgebietes, ver-
ursacht, ist für die heutige Schiffahrt nicht von Bedeutung, er beträgt für die Linie
Schanghai—Nagasaki 430 Seemeilen oder 36 Fahrtstunden, eine Dampfergeschwindig-
keit von 12 Knoten angenommen. Die Dampfer, welche auf ihrer Fahrt nach Tientsin
und von da weiter nach dem Norden (Port Arthur, Dalny) Tsingtau anlaufen, machen
nur einen Umweg von zehn Fahrtstunden. Ein Blick auf eine Weltverkehrskarte mit
eingetragenen Dampferlinien wird dies bestätigen.
Der große Geograph, Frhr. v. Richthofen, hat bereits im Jahre 1882 in seinem
Werke über China, dessen monnmentale Größe nicht nur die Geologen, sondern auch
die Sinologen dankbar anerkennen, mit vorahnendem Fernblick auf Kiautschou als die
natürliche Eingangspforte zur wirtschaftlichen Erschließung der Provinz Schantung
süneesen Wir können ihn als den geistigen Urheber unserer Besitzergreifung daselbst
ezeichnen.
China, von Innerasien durch Küsten abgeschlossen, ist gezwungen, scinen Verkehr
zur See zu suchen. Wenn wir einen Blick auf die Karte werfen, so fällt uns die reiche
Küstengliederung des Südens auf, trotzdem besitzt das Land nur wenige Häfen, welche
man als Eingangspforten bezeichnen kann. Da ist im Süden znnächst Kanton, jahr-
hundertelang der einzige Hafen, wo sich ein Fremdenhandel entwickelt hat, der, gestützt
auf das reichverzweigte Wassernetz des Sikiang, seine Waren bis tief in das Innere
bringen konnte. Dann folgt Schanghai, die Metropole des Handels, wo der gewaltigste
Strom Chinas, der Nangtseliang, mit seinen Nebenflüssen das ganze mittlere China
erschließt. Die übrigen Häsen des Südens haben nur lokale Bedentung, entweder sind
sie in der Versandung begriffen oder sie sind von Gebirgen umschlossen, die den Verkehr
mit dem Hinterland erschweren. Gegen Norden (nördlich vom 30. Parallelgrade ab)
ändert sich das Bild völlig, der Flachstrand Nordchinas gehört zu den verschlossensten
Küsten der Erde, die eine Verbindung mit dem Meere so gut wie ganz ausschließen.
Der zweitgrößte Strom Chinas, der Hoangho, ist in seiner Mündung so verschlammt,
daß nur kleine Barken über seine Barre hinwegkönnen. Bei dem Paiho (oder auch
Haiho genannt) liegen die Verhältnisse insofern günstiger, als die daselbst vorgelagerte
Barre in Flutzeiten 2 bis 3m Wasser hat und der Fluß bis auf 6m Fahrttiefe aus-
gebaggert ist, so daß kleinere Dampfer bis zu 2000 t nach dem 50 kun flußaufwärts
gelegenen Tientsin gelangen können. Doch ist zur Winterszeit diese Takureede zugefroren
und der Verkehr muß über Tsing-wang-tan, 180 km nördlich davon, geleitet werden.
Über Tschifu wird an anderer Stelle gesprochen werden. Wir sehen daraus, daß Kauton
und Schanghai den Handel des Südens und den mit Mittelchina stets beherrschen werden,
dagegen die Bucht von Kiantschon, durch ihre geographische Lage und als einzige unter
den nördlichen Häfen, durch die Möglichkeit, zu allen Jahreszeiten auch den größten
Schiffen Zugang zu bieten, verspricht, die Eingangspforte des nördlichen China zu
werden. Die Zukunftshoffnungen Deutschlands dürfen unzweifelhaft mit dieser Tatsache
rechnen. Betrachten wir zunächst die Provinz, in der unser Schutzgebiet gelegen ist, und
als deren natürlichen Eingangshafen wir die Bucht von Kiautschon ansehen können,
Schantung. Ihre Größe wird auf rund 144000 qkun (ctwa so groß wie die süddeutschen
Staaten einschließlich Elsaß-Lothringen), ihre Bevölkerung im Mittel auf 38 Millionen
(soviel wie Frankreich) angegeben. Dicse Zahlen sind dem „Handbuch für das Schutzgebiet
Kiantschon“ (1911) entnommen. Die Provinz hat ihren Namen — östliches Gebirge — von