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druck gemacht als lange theoretische Erörterungen. So war die Flottendemon-
stration von 1885 erfolgreich für den vorliegenden Zweck. Mehr war nicht be-
absichtigt. Es hat gewißlich nicht an Stimmen gefehlt, diesen Verzicht zu ver-
urteilen und darauf hinzuweisen, wie gerade zu jener Zeit Deutschland es
leicht gefallen wäre, in anderer Form Kolonialpolitik zu treiben, indes ge-
hört diese Betrachtung nicht zu diesem, meinem Thema, das sich nur mit der
Tätigkeit der Marine bei Ausübung ihrer erhaltenen Befehle unter Berücksich-
tigung der gegebenen Lage und der Würde der deutschen Flagge beschäftigen soll.
Nach Erledigung jenes Ultimatums von 1885 löste sich das Geschwader vor
Zanzibar wieder auf und wurde die Wahrnehmung unserer Interessen den Sta-
tionsschissen, z. B. den Kreuzern Möwe, Nautilus, Hyäne in den genannten Ge-
wässern übergeben, während die Korvette „Gneisenau“ nach jener Flotten-
demonstration noch im Norden eine besondere Mission zu vollführen hatte. Es
handelte sich hier um die Einverleibung des Witulandes, seine Stellung unter
die deutsche Schutzherrschaft, ein besonderer Wunsch des Witu-Sultans. Durch
das Landungskorps der Gneisenau (Kommandant Kapitän zur See Valois) wurde
solches prompt erledigt, und hierbei von der Mannschaft in einer größeren Expe-
ditionsübung besondere Kriegserfahrung gesammelt. Als ich später an Bord der
„Schwalbe“ vor Lamu Zeuge war, wie die englischen Kriegsschiffe (nach Wieder-
abtretung des Witulandes gemäß dem Helgoland-Vertrage von 1890) als die
neuen Herren ihre Landungskorps gegen eben denselben Sultan marschieren und
die Dörfer abbrennen ließen, da konnte ich mich eines wehmütigen Gefühls nicht
erwehren. Der Witu-Sultan konnte diesen Szenenwechsel nicht verstehen, aber
die Politik ist nun mal oft egoistisch und nie sentimental.
Das Jahr 1886 führte wieder eine größere Zahl deutscher Kriegsschiffe,
abermals unter dem Kommando des Konteradmirals Knorr, in die ostafrikani-
schen Gewässer. Es galt die Ahndung der Ermordung Dr. Jülkes, des treuen
Waffengefährten und Freundes Peters, der im Somalilande niedergemetzelt war,
vorzunehmen. Des weiteren bedurfte es einer Ermunterung Said Bargatschs,
seinen Verpflichtungen und Versprechungen schneller nachzukommen.
Das Erscheinen der Korvetten Bismarck (Flaggschiff), Carola und Olga vor
dem Sultanspalaste hatte auch diesmal wieder den gewünschten Erfolg. Immer,
wenn deutsche Kanonenrohre liebevoll in die Sultansfenster schauten, stiegen
die Aktien der schwarz-weiß-roten Flagge um ein Bedentendes. Wenn dieses
Vorgehen auch wiederum seinen Zweck schnell erreichte, zweifelte man in Marine-
kreisen doch nicht daran, daß mit Aufnahme der neuen afrikanischen Kolonial=
politik, so energisch und großzügig sie von Dr. Peters auch ins Leben gerufen
war, die Mitwirkung deutscher Kriegsschiffe zukünftig wohl noch hänfig in An-
spruch genommen werden würde. Denn, ohne den Unternehmungsgeist, Schwung
und Patriotismus jener Pioniere deutscher Kultur unterschätzen zu wollen, mußte
man doch besorgt auf die Aufrechterhaltung und Durchführung jener mit so viel
Schneid und Tapferkeit erlangten Gebietserwerbungen blicken. Wenn auch tief im
Lande das Eingreifen der blauen Jungen nicht in Frage kam, so doch für den
Rückschlag auf die Küstenplätze, die Zufuhr= und Absatzstätten, die Lebensnerven
der großen Karawanengebiete. Würde die inzwischen gegründete „Deutsch-Ost-
afrikanische Gesellschaft" mit ihren Mitteln imstande fein, ein so großes Innen-
gebiet tatkräftig zu beherrschen? Die deutschen Flaggen waren in schneller Folge
geheißt und auch der Küstenstreifen vom Sultan anf 50 Jahre an die Deutsch-
Ostafrikanische Gesellschaft „verpachtet“, so daß die erworbenen Hinterländer nun
auch wirklichen Zugang zur Küste hatten. Würde auch fernerhin alles klappen? So
lange der energischere Said Bargasch, vor dem die Araber an der Küste und
weiter im Innern höllischen Respekt hatten, noch lebte, durfte man es vielleicht
annehmen, als ihm aber ein Said Kalifa im Jahre 1888 auf dem Throne folgte,
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