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nommen und beobachtet wurde, daß an Land Schüsse fielen und von dem
Usagara-Hause durch Dippen der Flagge das Signal „Ich bedarf der Hilfe“
gegeben wurde. Sofort wurde das Landungskorps unter Korvettenkapitän Don-
ner entsandt und bei Sonnenglut und Sonnenbrand die lange Strecke gerudert,
da leider das Dampfboot zu anderweitigen Zwecken vorher von Bord gefahren
war. Die landenden Boote wurden mit heftigem feindlichen Gewehrfeuer emp-
fangen, was die Mannschaften aber nur um so mehr veranlaßte, mit echtem furor
teutonicus ins Wasser zu springen und alsbald vorzugehen. Vorher hatten die
Bootskanonen noch gefeuert und etwas aufgeräumt. Nun entspann sich in Baga-
moyo selbst ein richtiger Straßenkampf, bei welchem Leutnant zur See, Meier (in
der Marine wegen seiner vielfachen Deloration später allgemein unter dem
Namen „Schwerter-Meier“ bekannt), sich mit seiner wackern Leipzig-Schar sehr
hervortat. Rühmend muß nicht minder die Tapferkeit und Ausdauer der Enro-
päer (Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft) erwähnt werden, die seit dem frühen
Morgen gegen Hunderte von Aufständischen ihre Stellung verteidigten. Nun
war der Feind unter Erbeutung von Kriegsmaterial geschlagen, die Haupträdels-
führer freilich sind leider entwischt. Dieser Bagamoyotag war für die Marine
ein glorreicher, im besonderen für die Leipzig-Besatzung. Erwähnenswert ist
noch der Umstand, daß Buschiri, die Seele dieser aufständischen Unternehmungen,
den auf dem Kinganiflusse zu einem Jagdausflug befindlichen Geschwaderchef
(Deinhard) abfangen wollte. Jedenfalls zeigte dieser 22. September, daß von
einer Beruhigung der Lage keine Rede sein konnte.
Auch in Pangani sah es übel aus. Selbst der englische Sultansgeneral
Mathews, der jedem Zanzibariten damaliger Zeit wohlbekannte, konnte dork
nur die Beamten schützen, mußte im übrigen aber feststellen, daß es mit dem
Ansehen seines Brotherrn vorbei war. Allgemein gesagt: Es war nicht nur
ein Auflehnen gegen die Tätigkeit der D. O. A. G. (Deutschostafrikanischen Ge-
sellschaft), sondern eine Revolte der Küstenaraber gegen die Herrschaft des
Sultans, des Verpächters jenes Gebietes. Unter diesen Umständen mußte
Admiral Deinhard sich Befehle einholen, inwieweit er operieren sollte: ob all-
gemein offensiv oder Beschränkung auf gewisse Punkte. Die Anweisung lautete:
Bagamoyo und später Daressalam zu halten!
Wie oben kurz erwähnt, kamen aus dem Süden beunruhigende Nachrich-
ten, infolgedessen schleunigst „Möwe“ nach Kilwa entsandt wurde. Hier spielte
sich nun am 22. September, am selbigen Tage, an dem in Bagamoyo der
Kampf tobte, eine Tragödie ab, die späterhin Gegenstand mancher bitteren und
heftigen Kritiken sein sollte. Dort fielen nämlich die beiden Beamten der Ge-
sellschaft, Krieger und Hessel, ohne daß von dem auf der Reede befindlichen
Kriegsschisfe Hilfe gesandt wurde, der Wut einer vieltausendköpfigen aufrühre-
rischen Menge zum Opfer. Das Geschick verurteilt zunächst unwillkürlich die
Handlungsweise des deutschen Kommandanten, und doch muß man gerade in
diesem tragischen Falle in gerechter Weise die einzelnen Momente, die Be-
weggründe aufs genaueste prüfen. Als Seemann möchte ich hier den Vergleich
mit einem „Mann über Bord“ bei stlürmischem Wetter anführen. Hier muß
der Führer des Schiffes mit blutendem Herzen vielleicht Abstand davon nehmen,
jeuem dort in wilder See ringenden Kameraden das Rettungsboot zu senden,
weil dies mit seiner Besatzung bei einer solch hohen See unrettbar auch ver-
loren sein würde. Also lieber ein Menschenleben opfern, als ein Dutzend. So
stelle ich's mir in Kilwa auch vor. Welch schweren Kampf mag damals Kapitän-
leutnant Ferber in seinem Herzen gekämpft haben! Er hielt eine Landung,
abgesehen von den schwierigen Landungsverhältnissen, angesichts einer feind-
lichen Kolonne von mehreren Tausenden dort am Strande für aussichtslos,
also eine sichere Vernichtung seines Landungskorps, während durch ein Bom-