Während in der dentschen Kolonie in wahrhaft beschämender Weise mühsam an den
winzigen Teilstrecken der Usambarabahn umhergestümpert wurde, bauten die Engländer
rasch entschlossen in einem einzigen großen Zuge die sast 1000 kun lange Ugandaeisen-
bahn, von Mombassa am Indischen Ozean nach Port Florence am Victoriasee, und
erreichten schon nach wenigen Jahren, trotzdem die Hälfte der Strecke durch die
sterile, wirtschaftlich beinahe wertlose Steppe des Mombassahinterlandes führt,
einen Verkehr, der die Betriebskosten deckte und den Beginn einer naturgemäß erst
bescheidenen Verzinsung brachte. Die Ugandabahn entwickelte aber das wirtschaftliche
Leben nicht nur in dem von ihr durchzogenen englischen Gebiet, sondern auch in weitem
Umkreise rund um die deutschen Ufer des Victoriasees; ja die von dorther stammenden
Frachten machen bis jetzt beinahe den wichtigsten Teil der gesamten Transportmenge
aus, die ihr aus dem Seegebiet zufließt. Er war also verständlich, wenn man sich bei
uns fragte, ob unter diesen Umständen der Bau einer besonderen deutschen Linie zum
See notwendig sei. Auf der anderen Seite waren die englischen Erfahrungen mit der
Ugandabahn ein guter Anspeorn, um endlich auch ernsthaft an den Plan einer deutsch-
ostafrikanischen Aufschließungsbahn großen Stils heranzutreten. Nach Lage der Dinge
kounte eine solche zunächst nur auf das mittlere Stück der Binnenküste, das Gestade des
Tanganjikasees gerichtet sein.
Die deutsch-ostafrikanische Zentralbahn bildete das Herzstück der
großen Dernburgschen Eisenbahnvorlage von 1908. Nominal war
sie zwar nur von Daressalam bis Tabora, dem wichtigsten Verkehrsmittelpunkt im
Inneren, etwa auf zwei Drittel der Entfernung von der Küste bis zum Tanganjika
projektiert, aber niemand konnte daran zweifeln, daß der Weiterbau bis zum See sich
unmittelbar an die Erreichung von Tabora anschließen würde. Daß Dernburg beim
Reichstage ohne Schwierigkeit die Bewilligung von 150 Millionen Mark für Kolonial=
bahnen durchsetzte — der zehnte Teil dieser Summe, zehn Jahre früher von der Regierung
für einen ähnlichen Zweck auf einmal verlangt, wäre als eine Art Wahnsinn erschienen —
war der größte praktische Schritt voran, der in unserem Kolonialwesen von seiner Be-
gründung an je geschehen ist. Man muß aber daneben auch bedenken, daß prinzipiell
der Ban der Zentralbahn schon in den mühsam von Stübel den Parteien und dem
Reichsschatzamt abgerungenen 200 km von Daressalam nach Morogoro steckte. Wenn
jetzt die Schienen Anfang 1914 den Tanganjika erreichen, so fordert es daher die ab-
wägende Gerechtigkeit, die nicht nur den äußeren Erfolg, sondern auch den grund-
sätzlichen inneren Fortschritt der Dinge zu erfassen imstande ist, des eigentlichen
Urhebers unserer kolonialen Bahnen, Stübels, zu gedenken.
Für Kamerun war zu Beginn der Dernburgschen Ara einzig das kleine Stück
von Bonaberi bei Duala bis an den Fuß des Manengubagebirges, 160 km von der
Küste, bewilligt. In den populären Propagandaschriften für diese Kamernnbahn
war viel von der Notwendigkeit und großen Zukunft einer deutschen Linie zum
Tfadsee die Rede: im Gegensatz zu der ostafrikanischen Verbindung zwischen der
Meeres- und der Seenküste ein weit von den realen Verhältnissen entfernter Gedanke.
Das Tsadseegebiet hat verkehrswirtschaftlich eher eine negative, hinderliche, als eine
positive Bedentung, denn der Tsad ist weder ein natürliches Sammelbecken für
Handel und Verkehr aus den umliegenden Ländern, noch kann er je dazu gemacht werden;
er ist nichts als eine große flache Lagune, die zur Regenzeit voll Wasser läuft und sich
ausdehnt, während der Trockenperiode sich zusammenzieht und auf dem größten Teil
ihrer Uferstrecken durch immense meilenbreite Schiljmassen dauernd unzugänglich bleibt.
Hierher eine Bahn zu bauen, hat nicht den geringsten Zweck. Trotzdem war die Richtung
der Manengubabahn im allgemeinen zutreffend gewählt, denu auf dem ver-
meintlichen Wege zum Tsad mupßte sic erst die fruchtbare und sehr gut bevölkerte Nord-
westecke des Hochlandes von Innerkamerun und darnach die ähnlich begünstigte Senke
des oberen Benne durchqueren. Unglücklicherweise wurde im Frühjahr 1907 mit dem
Ban begonnen und die Arbeit bis in die Nähe des projektierten, vorläufigen Endpunkts