Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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Zivilisation, den viele Antoren vom überlegenen Volke verlangen, ist wieder recht 
umstritten. Im allgemeinen wird man jedenfalls den Azteken und Inkas, die sich 
von spanischen und portugiesischen Konquistadoren kolonisieren lassen mußten, mehr 
Zivilisation als ihren Besiegern zuerkennen. 
Die Forderung des politisch rechtlichen Verbandes des Niederlassungsgebietes mit 
dem Mutterland kann nicht ernstlich bezweifelt und über die Anschauungen einiger 
englischer Schriftsteller, die aus politischen Gründen auch bereits unabhängige Gebiete, 
wic z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika noch als Kolonien des ursprünglichen 
Mätzrlaudes bezeichnen wollen, hinweggegangen werden. Man wird daher, um 
unfruchtbaren Erörterungen die Spitze abzubrechen, gut tun, den Hauptinhalt des 
Begriffes Kolonie in diesem Punkt zu suchen. So ergibt sich unter Fortlassung der 
beiden ersten unsicheren Merkmale die Definition Gottfried Zoepfls: 
„Kolonien sind answärtige Verwaltungsgebiete eines Staates 
für weltwirtschaftliche und weltpolitische Zwecke.“ 
Die in dieser Definition gegebene Zweckbestimmung erklärt sich entsprechend den 
Ausführungen unserer Einleitung. Wir sehen eben in den Kolonien Stützpunkte sowohl 
für die weltwirtschaftliche Betätigung der einzelnen Angehörigen des kolonisierenden 
Staates, als zur Verbreitung seines Volkstums, die er beide unterstützt, um schließlich, 
sich weltwirtschaftlich und weltpolitisch ständig verstärkend, Weltmacht zu werden. 
Bis in die neneste Zeit herrschte ein lebhafter Streit über eine zweckmäßige Ein- 
teilung der Kolonien nach Arten. Die deutsche Wissenschaft beschäftigte sich mit solchen 
Unterscheidungen besonders rege zu einer Zeit, als sie noch keine praktischen Erfahrungen 
besaß, was natürlich zu rein theoretischen Begriffsbildungen führte. Bezeichnungen 
wie Verbrecher= oder Eroberungskolonien beneunen wohl Ursache und Vorgang einer 
Kolonialgründung, haben aber mit deren Wesen gar nichts zu tun. Schließlich traten 
die Einteilungen nach wirtschafts= und verwaltungspolitischen Gesichtspunkten in den 
Vordergrund, entsprechend der heutigen Zweckbestimmung der Kolonien. 
Hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Einteilung ist es wohl das Verdienst des 
Engländers James Mill gewesen, zuerst auf den wichtigsten Unterschied der Kolonien, 
ob sie sich zur weißen Siedelung oder zur Ausnutzung durch Weiße in mehr leitender 
Stellung eignen, hingewiesen zu haben. Auf dieser Grundlage unterscheiden wir: 
Siedelungskolonien, als Gebiete, die berufen sind des Kolonisten zweite Heimat 
zu werden. Hierzu gehören in erster Linie Kanada, Australien, Neuseeland, Englisch- 
Südafrika und unser Südwestafrika. 
Plantagenkolonien:), in denen der Kolonist als Pflanzer und der Eingeborene als 
Arbeiter tätig ist. 
Eingeborenen-Kulturkolonien, die wie Togo von den Eingeborenen selbst bewirt- 
schaftet werden. 
Handelskolonien und 
Koloniale Stützpunkte. 
Allen Kolonien gemeinsam kann Bergban sein und ist daher auf den früher üblichen 
unzutreffenden Begriff Bergbankolonien verzichtet worden. Ebenso können sich indu- 
strielle Anlagen überall vorfinden und sind nichts Charakteristisch-Koloniales. Es ist 
deshalb dafür nicht, wie Reinsch will, eine besondere Benennung zulässig. Im übrigen 
soll obige Einteilung lediglich die wesentlichsten Kennzeichen moderner kolonialwirt- 
schaftlicher Betätigung geben, und dürfen die einzelnen Kolonien keineswegs in sie hinein- 
gezwängt werden. Selten wird eine Kolonie einer der augeführten Arten rein ent- 
sprechen, zumeist wird ihr Charakter vielseitiger sein. Ostafrika z. B. entwickelt sich 
gleichzeilig als Plantagen-, Eingeborenenkultur- und Siedelungskolonie. Daneben 
gewinnt es durch den steigenden Zwischenhandel Daressalams und der Victoriaseehäfen, 
1) Hierfür kennt die französische Kolonialwissenschaft den wesentlich erweiterten Begriff 
colonie Teexploitation, der sich vielleicht mit Ausnutzungskolonie übersetzen ließe. 
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