Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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— um mit VYork von Wartenburg zu reden — männlicher Veranlagung von der Urzeit 
an in die Kolonialgeschichte mit hineinziehen und könnte ebensogut gleich eine Welt- 
geschichte schreiben. Weder die Ausbreitung Athens und Spartas über die Nachbar- 
inseln des Agäischen Meeres, die Romanisierung Italiens, die Germanisierung des 
deutschen Ostens im Mittelalter, die Russifsizierung Finnlands und Kankasiens noch 
irgendwelche geschichtliche Vorgänge ähnlicher Art können in unserem kolonialgeschicht- 
lichen Uberblick Platz finden. Selbst das Vordringen der Russen in Ostasien gehört zur 
Kolonialgeschichte nur, soweit es sich, wie bei dem Gebiet Port Arthurs, um auswärtige 
Verwaltungsgebiete handelt. 
Wie aus vorstehenden Erörterungen hervorgeht, verdienen von den ältesten Völkern 
nur die Phönizier, die das Meer in die Geschichte einführten, Erwähnung. Ihre Nieder- 
lassungen waren meist städtische Handelskolonien im Sinne unserer kolonialen Stütz- 
punkte und wurde politische Zusammengehörigkeit von Mutterstadt und ihren Grün- 
dungen erstrebt. Ans Nachrichten über Karthago, das nach Tyrus Fall 332 die Führung 
übernahm, läßt sich dies noch klar erkennen. Fremden war der Zutritt zu den karthagischen 
Kolonien untersagt und deren Handel mußte seinen Weg über Karthago nehmen. Zwei 
für das Wesen damaliger Handelskolonialmächte bezeichnende Ursachen führten zu 
Karthagos Sturz; der Mangel an Landmachtpolitik und die Unmöglichkeit, bei dem 
niedrigen Stand der Schiffsbantechnik die so sehnlichst erstrebte feststehende Seeherrschaft 
zu behaupten. Daß die seeungewohnten Römer in wenigen Jahrzehnten Karthagos 
Seeherrschaft vernichten konnten, beweist am besten, wie kümmerlich es damit bestellt 
war. Daneben hat die rein kaufmännisch engherzige Staatsauffassung der Karthager 
die Entwicklung nationaler Kraft stets verhindert. So mußte das großzügige Unter- 
nehmen der Barkiden, in Spanien unter Benntzung der dortigen phönizischen Nieder- 
lassungen eine Landmacht zu schaffen, für damalige Verhältnisse eine kolonialpolitische 
Tat, Episode bleiben. 
Die in der Niederlassungsart ähnlichen Kolonisationsversuche der Griechen im fernen 
Mittel= und Schwarzen Meer können nicht unerwähnt bleiben, obwohl ihnen im Gegensatz 
zu den phönizischen der wichtige Bestandteil politischer Zusammengehörigkeit mit den 
Mutterstaaten fehlte. Die Griechen entbehrten überhaupt der staatenbildenden Kraft, 
waren aber dafür durch das einigende Band hochstehender Sprache und Kultur vor den 
Völkern ihrer Zeit ausgezeichnet. Diese Fähigkeit nicht nur der Bewahrung geistiger 
Gemeinschaft, sondern auch geistiger Durchdringung anderer Nationen ist an sich groß- 
artiger wie die heutige Anglisierung der Welt, konnte aber kolonialpolitisch keine Be- 
deutung gewinnen, da es an einer Zeutralmacht fehlte. Alexanders oft herangezogene 
Eroberung der orientalischen Welt und sein Versuch, Hellenismus und Orient zu ver- 
schmelzen, iudem er den Schwerpunkt in letzteren verlegte, steht mit dem Wesen der 
Kolonialpolitik im Gegensatz. Diese muß bei noch so freiheitlicher Gestaltung kolonialer 
Selbstverwaltung im einzelnen stets das Übergewicht des Mutterlandes zu erhalten 
suchen. Andernfalls bricht sie in sich zusammen, oder es handelt sich, wie bei Alexander, 
um eine staatliche Neugründung. 
Die Entwicklung des Römerreiches hat vorzugsweise zu den Begriffen Militär- 
und Eroberungskolonien geführt. Sie gleicht im allgemeinen einem unaufhaltsam 
daherfließenden Strom und hat mit Kolonialpolitik nur da etwas zu tun, wo es sich um 
ständige Außenposten handelt, die, wie z. B. Carteja beim hentigen Gibraltar, Kerne 
späterer Provinzen wurden. 
Im Mittelalter treten als die wichtigsten überseeischen Bewegungen kolonialen 
Charakters in den Vordergrund, die Krenzzüge, die Entwicklung Venedigs, Gennas 
und der Hanse. Die Krenzzüge haben vor allem das Emporblühen Gennas und Venedigs 
mächtig gefördert. Die Gründung des Königreichs Jerusalems ist nicht kolonialer Natur, 
sondern eine staatliche Neuschöpfung; es war nur Zufall, daß die Krone Jerusalems 
zeitweise in der Person eines abendländischen Herrschers mit dessen Stammland ver- 
einigt war. Die Kolonisation der beiden italienischen Seestädte ist der Karthagos ver- 
  
 
	        
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