Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

    
Man hat den Jesniten absichtliches Festhalten der Indianer im Zustand kindlicher 
Unselbständigkeit vorgeworfen, wogegen sie sich mit dem Hinweis anf die entsprechende 
natürliche Veranlagung der Indianer verteidigten. Die Zukunft hat ihnen recht gegeben. 
Niemals haben südamerikanische Indianer im Besitz staatsbürgerlicher Freiheit sich so 
wohl befunden, wie die Guaranis unter der milden Herrschaft der Väter. Niemals zwar 
werden die harten Notwendigkeiten unserer auf Weltmachtziele gerichteten Kolonial= 
politik die Entstehung solcher patriarchalischer, sich mimosenhaft abseits haltender sozialer 
Gebilde erlauben, dennochlbetrachten wir rückschauend das Werk der Jesniten mit warmer 
Sympathie. Das Zeitalter der Aufklärung, das es zerstörte, hat in der Kolonialpolitik 
sicher nichts Besseres geboten, und wer mit Jeremias Bentham das größtmöglichste 
Glück der größten Menge als erstrebenswertestes Ziel der Volkswirtschaft betrachtet, 
wird den Jesuitenstaat als ideale Lösung des sozialen Problems bezeichnen dürfen. 
Freilich mit der wesentlichen Einschränkung, daß diese Lösung nur bei kindlichen Natur- 
völkern unter Verzicht auf weiteren Fortschritt gelingen kann. 
Die loloniale Handelspolitik Spaniens entsprach jahrhundertelang merkantilistischen 
Anschauungen, immer von der Auffassung ausgehend, daß die Kolonien Krondomänen 
Kastiliens seien, und es daher allein dem kastilischen König zustehe, Privilegien irgend- 
welcher Art zu erteilen. Ganz so engherzig wie Portugal ist Spauien hierbei entsprechend 
seiner großartigeren enropäischen Stellung nicht verfahren. Unter Karl V. wurde den 
Untertanen aller von ihm beherrschten Reiche ans wirtschaftlichen Gründen Zutritt zu 
den Kolonien verstattet, und auch befreundete Nationen erhielten zeitweise Handels- 
vorrechte. Um so schärfere und auf die Dauer unerträgliche Beschränkungen wurden 
aus fiskalischen Gründen den Kolonien selbst auferlegt, die dem mutterländischen Monopol 
ansgeliefert blieben und nicht einmal umtereinander mit europäischen Erzengnissen 
Handel treiben durften. 
Als das Kaperwesen sich immer nnangenehmer fühlbar zu machen begann, verbot 
Karl V. 1526 die Einzelschiffahrt zwischen Spanien und seinen Kolonien, und verordnete, 
daß die Handelsschiffe von nun an, zu Flotten in kriegsmäßiger Ausrüstung vereinigt, 
die Hin= und Rückreise durchzuführen hätten. Aus Gründen der Sicherheit und fiskalischen 
Kontrolle mußten die Flotten sich zweimal jährlich in Sevilla vereinigen und von dort 
nach Santo Domingo auslaufen. In Santo Domingo trennte sich die sogenannte Flotte 
von Neuspanien, die Mexiko über Vera Cruz versorgte, von der Festlandsflotte, die 
Südamerika über Cartagena und besonders Portobelo mit Waren versah. Mit der 
Rückfracht trafen sich die Flotten in Habana, um von dort gemeinsam Sevilla zuzustreben. 
Da die Kolonien außer Farbhölzern, Zucker und Hänten in der Hauptsache Edelmetalle 
lieferten, war die heimkehrende Flotte, kurzweg Silberflotte genannt, stets das Ziel 
aller Korsaren und sonstigen Feinde Spaniens. Nach Erschöpfung der im Besitz der 
Eingeborenen, besonders in Pern, vorgefundenen großen Schätze, gelangte man durch 
die Silberbergwerke Mexikos und noch mehr die reichen Gruben Potosis in Bolivien 
zu dauerbaften Erträgnissen; weniger ergab die Goldwäscherei. In der kolonialen 
Ausfnhr Spaniens spielte besonders der Handel mit Negersklaven — für die wegen ihrer 
Arbeitstüchtigkeit die göttlichen und menschlichen Rechte der sowieso auf die Dauer 
unbrauchbaren Indianer nicht galten — eine große Rolle. Die jährliche Einfuhr in 
Amerika wurde auf 4000 Köpfe festgesetzt und das Monopol nacheinander Gennesen, 
Deutschen, Portugiesen, die ja auch die Negergebiete selbst besaßen, Franzosen und 
schließlich von 1713 bis etwa 1750 den Engländern übertragen. Daneben blühte der 
Schmuggel in diesem Handelszweig mehr wie in jedem anderen. Sowohl als Seeräuber 
wie als Sklavenhändler haben sich die Eugländer damals allen anderen Völkern über- 
legen gezeigt. Sie, die im 19. Jahrhundert, als sie sich von diesen beiden Geschäfts- 
zweigen kolonialwirtschaftlich nichts mehr versprachen, Sceranb und Sklavenhandel so 
ingrimmig verfolgten. 
Als die Verhältuisse in Sevilla nicht mehr ansreichten, wurde 1715 der Stapel 
des Kolonialhandels nach Kadiz verlegt. Die Regierung Karls III. entschloß sich 1774, 
 
	        
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