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1. Januar 1860 abgeschafft worden. Die Zwangslieferungen und der amtliche Land-
besitz der eingeborenen Großen wurden 1867 beseitigt. 1869 überwies die Regierung
die Befugnisse der Residenten auf Rechtsprechung ordentlichen Gerichten. 1872 fielen
die Frondienste in der Hauptsache fort. Andere drückende Verpflichtungen wurden in
Geldabgaben umgewandelt. Entsprechend der freihändlerischen Richtung der heimischen
Handelspolitik erfolgte die Reform des Zollwesens. 1874 sind die Einfuhrzölle auf
im Durchschnitt 6 Proz. der Waren, ohne Unterschied ihrer Herkunft, festgesetzt worden.
Aussuhrzölle auf die wichtigsten Produkte, aber alle Länder gleichmäßig treffend, blieben
bestehen. Nur die zwangsweise Kaffeekultur und das Kaffeemonopol der Regierung
hat sich erhalten.
Unter weiterer geschickter Benutzung der eingeborenen Fürsten und bei der natür-
lichen Fügsamkeit des Javauen, gelang es den Holländern, seit Mitte des vorigen Jahr-
hunderts auf Java den Frieden zu erhalten. In den Außenbesitzungen hat es bis in
unsere Zeit heftige Kämpfe gegeben, besonders die Niederwerfung des Reiches Atschin
auf Sumatra erwies sich als zeitranbend und kostspielig. Jusgesamt versügen die
Niederlande gegenwärtig über einen Kolonialbesitz von über 2 Millionen Quadrat-
kilometer mit einer Bevölkerung von ca. 38 Millionen. Auf Java allein entfallen 131 510
Qnadratkilometer mit über 30 Millionen Einwohner. Die Gesamteinnahmen betragen
ca. 340 Millionen Mark, denen 375 Millionen Mark als Ausgaben gegenüberstehen.
Die Einfuhr vom Mutterland wird auf über 700 Millionen Mark, die Ausfuhr dahin
auf mehr als 150 Millionen Mark veranschlagt. Der Zinsendienst der Kolonialschuld
beansprucht jährlich etwa 7 Millionen Mark. Berücksichtigt man noch die Einnahmen
der Schiffahrt im Kolonialverkehr sowie die riesigen dort festgelegten und erworbenen
Privatkapitalien, so muß man den holländischen Kolonialbesitz als ungemein wertvoll
bezeichnen. Der Löwenanteil entfällt in jeder Hinsicht auf Java. Im Mutterlande
wohnen anf 33 000 qkun 6 Millionen Menschen.
Die holländische Kolonialpolitik ist, von rein kaufmännischen Gesichtspunkten
ausgehend, jahrhundertelang die rücksichtsloseste gewesen, die es gegeben hat. Nach
1600, als die Niederlande auf ca. 60 000 qkm die für die damalige Zeit bedentende
Einwohnerzahl von 3½ Millionen aufwiesen (soviel wie England zur Zeit Elisabeths)
suchte sich das kleine Land die Weltmachtstellung zu erkämpfen. Wie vorauszusehen,
hierin gegen England erliegend, sind die Niederlande immer mehr von ihrer politischen
Machtstellung herabgesunken, um sich schließlich in die Neutralität zu retten. Sie haben
aber, im Gegensatz zu Portugal, verstanden, sich rechtzeitig zu bescheiden, und sich
dadurch und durch ihre stets dichte und tüchtige Bevölkerung eine große wirtschaftliche
Bedeutung zu erhalten. Die Erschließung, Ansnutzung und Beherrschung eines im
Verhältnis zum Mutterland gewaltigen Kolonialbesitzes ist ihnen schließlich gelungen.
Nach außen hin steht jedoch diese koloniale Machtstellung auf schwachen Füßen. Wie
1814 die Rückgabe ihres Kolonialbesitzes, so verdanken sie jetzt dessen Fortbestand der
Gnade bzw. Uneinigkeit der Großmächte. In ihrer Handelspolitik sich ängstlich an Eng-
land anlehnend, um diesem jeden Grund zu Übergriffen zu rauben, blicken sie gleich-
zeitig voll Mißtranen auf den übermächtigen deutschen Nachbar. Man kann heutzutage
in den Niederlanden vielfach dem Zweifel an der eigenen politischen Existenzberechtigung
begegnen. Wirtschaftlich haben die Niederländer, wenn auch immer noch tüchtig, nie
mehr die rührige Kraft früherer Jahrhunderte erreicht. Wie politisch, so haben sie sich
auch wirtschaftlich etwas zur Ruhe gesetzt. Dies ist teils eine Folge alt erworbenen
unnd in den Kolonien noch weiterhin leicht zu erwerbenden Reichtums, teils in rassen-
mäßiger Veränderung begründet. Die starke Kolonialbevölkerung, besonders Javas,
hat die Niederländer mit ihrem Blut durchsetzt. Man findet in den angesehensten Familien
Mischlingsblut, und die höchsten Stellen im Mutterlande werden oft von solchen Misch-
lingen eingenommen. Alles in allem sind die Niederlande gegenwärtig mit ihrem großen
Kolonialbesitz nichts weniger als eine Kolonialmacht. Dieser riesige Besitz mit seiner
ungeheuren ungeschützten Angriffsfläche hat im Gegenteil erst das Ohnmachtsgefühl