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11 bis 12 Millionen entgegenzusetzen hatte. Dieses Verhältnis hat sich in den nächsten
Jahrhunderten kaum geändert, denn zu Beginn der Französischen Revolution standen
10 Millionen Engländern und Schotten (Irland muß natürlich ausscheiden) 26 Millionen
Franzosen gegenüber. Um 1815 war das Verhältnis 12 zu 29. Das Größenverhältnis
der Länder wie 3 zu 7 gerechnet, ergibt sich für Frankreich im Zeitalter des kolonialen
Wettbewerbes auch eine ständig dichtere Bevölkernng. Erwägt man noch, daß das
damalige Frankreich eine große Zahl weitblickender Politiker, begabter Militärs und
eine Fülle kecker Abenteurer hervorgebracht hat, so kommt man zum Ergebnis, daß diesem
in langer Küstenlinie an drei Meere grenzenden Staat zur Entdeckerperiode eine groß-
artige koloniale Zukunft offenstand.
Gerade die natürliche Uberlegenheit Frankreichs über die Nachbarstaaten wurde
unter Leitung maßlos ehrgeiziger Könige und Minister sein Verderb. Hatten noch
Richelien und Mazarin den Staat in den Grenzen seines Könnens gehalten, so verlor
er sich bereits unter Ludwig XIV. nach allen Richtungen ins Maßlose. Zu den poli-
tischen Verwicklungen, die schließlich nicht mehr bewältigt werden konnten, kam die un-
heilvolle Verschwendung des absoluten Königtums und seiner Günstlinge, die seit Colberts
Abgang eine chronische Finanzmisere zur Folge hatte. Darin liegt der eigentliche Grund
des oft plötzlichen Verzagens in überseeischen Kriegen, wenn die militärischen An-
gelegenheiten, wie z. B. am Schluß des Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges,
nach günstig standen. Sowieso gestaltete sich die französische Kolonisation von vornherein
kostspieliger als die englische, wie am besten aus dem Vergleich Kanadas und Louisianas
mit den Neuenglandstaaten ersichtlich. Aus England wanderten in großer Zahl tüchtige
Kolonisten aus, die den Erben der alten Unternehmer bald Vorteil brachten, den Staat
finanzieller Zubuße enthoben und schließlich dem mittelländischen Handel zum Segen
wurden. Der französische Bauer hat dagegen nie Neigung zur Auswanderung gezeigt,
Sträflinge und sonst minderwertige Elemente waren es, die unter der Führung kühner
Abenteurer den amerikanischen Kontinent betraten, und auch die ehemaligen Soldaten
wurden bessere Jäger und Trapper als Siedler. Es ist erstaunlich, daß es Champlain
und seinen tüchtigen Nachfolgern überhaupt gelang, im Lande die Grundlage zu einer
im Vergleich mit den Neuenglandstaaten freilich recht bescheidenen Siedlung zu legen.
Wir haben gehört, daß aber dabei alle Gesellschaften zugrunde gingen und das Mutter-
land immer wieder Opfer bringen mußte. Ans Lonissiana wurde überhaupt nichts,
und die Neigung der Regierungs= und Handelskreise zur Spelulation, ihre Ungeduld
und Sprunghaftigkeit verdarb auch in den Plantagen= und Handelskolonien schließlich
alles. Wie man es freilich von den geringwertigen französischen Kolonisten nicht anders
erwarten konnte, haben diese, im Gegensatz zu den Engländern, ihre Rasse nirgends
reingehalten, in den Tropen sich sogar blindlings mit den Eingeborenen vermischt.
Was in den ersten Jahrhunderten an französischen Frauen auswanderte, war allerdings
danach. Auch heute noch kann den Franzosen der Vorwurf geringer nationaler Würde
in ihrer Lebensführung den Eingeborenen gegenüber nicht erspart werden.
Dafür verdient die Fähigkeit, mit der sie überall ihre Sprache durchgesetzt haben,
uneingeschränktes Lob. Die französischen Kanadier halten noch heute ihre Mutterfprache
sest, uud noch immer hat das Französische im Orient die Führung. Hier hat der Vorzug
der Eleganz und Flüssigkeit die französische Sprache uugemein gefördert. Auch die
Tatsache, daß es Ludwig XIV. gelang, sie zur herrschenden Sprache für diplomatische
Verhandlungen zu machen, muß kolonialpolitisch als großer Vorteil gewertet werden.
Vielen exotischen Potentaten ist dadurch eine sehr übertriebene Vorstellung von der
Macht Frankreichs beigebracht worden. Schließlich soll auch nicht der politisch vorteilhafte
Zauber vergessen sein, den Paris als elegante und gastfreie Hauptstadt der Welt stets
auf den näheren und ferneren Orient ausgeübt hat.
Die militärischen Leistungen Frankreichs auf kolonialem Boden sind vielfach groß-
artig gewesen. Zu Lande haben sie sich jedensalls als bessere und befähigtere Soldaten
bewiesen als die Engländer. Besonders in den kanadischen Kämpfen waren ihre Ersolge