Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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gegen die englische Uberzahl erstannlich. Die französische Marine stand freilich im ganzen 
hinter der englischen zurück, doch nicht in dem Maße, als die Engländer hinter den Fran- 
zosen im Landkriege. Erst die merkwürdige Unsähigkeit der napoleonischen Admirale 
hat das schlechte Urteil über die Franzosen zur See hervorgerufen. Ludwig XIV. besaß 
Jean Barth und Duquesne; Ludwig XV. La Bourdonnais und der sechzehnte Ludwig 
den heldenmütigen Suffreu. Aber die französische Regierung verstand ihre Führer 
nicht zu verwenden, oder sah sich aus anderen, meist finanziellen Gründen, außerstande, 
ihre Erfolge auszunutzen. Eine faule Geschichtsschreibung hat so viele Mißerfolge der 
militärischen Führung in die Schuhe geschoben. In Wahrheit hat neben der fran- 
zösischen Unlust zu answärtiger Siedelung der Leichtsinn, die Sprunghaftigkeit, die 
Kräftevergendung und imperialistische Unfähigkeit der Zentralregierung und der be- 
teiligten Finanzkreise allein den Zusammenbruch des älteren französischen Kolonial- 
reiches verschuldet. Des ersten Napoleons kolonial-weltpolitisches Wirken verdient 
gesonderte Behandlung, und ist schon eingehender gewürdigt worden. An Kräfte- 
zersplitterung tat er es dem ancien régime gleich, wie dieses, blieb er in seinem 
tolonialpolitischen Urteil in kontinentalem Denken stecken, und die Großartigkeit seiner 
organisatorischen Leistungen konnte auch ihm nicht den Sieg gegen Eugland im Bunde 
mit ganz Europa verschaffen. 
Demgegenüber hat England keineswegs seine kolonialpolitischen Erfolge der älteren 
Zeit in dem Maße einer weiseren und erleuchteteren Zentralregierung zu verdanken, 
wie vielfach angenommen wird. Seine Konzessionsgesellschaften entlehnte es den 
Spaniern, genau wie die anderen Staaten, und wie diese, blieb es bis Ende des 18. Jahr- 
hunderts in merkantilistischen Anschauungen befangen. Unter einer weisen Kolonial= 
regierung wäre der Abfall der Nenenglandstaaten nicht möglich gewesen. Seine welt- 
politische Machtstellung hat in erster Linie die Zähigkeit seiner Politik und seiner Admirale 
geschaffen. Seine blühenden Siedlungskolonien verdankt es der kolonisatorischen Fähig- 
keit und der staatenbildenden Kraft seines Volkes. Diese Kraft, die sich einst gegen das 
Mutterland entwickelte, arbeitet jetzt mit ihm zusammen, nnd wunderbar vereinigend 
wirkt über den ganzen Erdball hin die Fähigkeit des Eugländers, seine heimische Sprache, 
Sitte und Art in die entlegensten Teile der Erde zu verpflanzen und überall seine Rasse 
rein zu erhalten. 
Wie wir aus dem historischen Teil ersahen, ist die kolonialpolitische Einsicht, der 
England das grandiose Zusammenwirken des Angelsachsentums auf dem Erdball ver- 
dankt, freilich unter mühevollen Wehen im Lanfe des 19. Jahrhunderts geboren worden, 
und ans der Zeit kolonialer Verzagnis, die zufällig mit der philantropischer Weltbürgerei 
zusammentras, hat es noch eine unangenehme Erbschaft in unsere Tage hinüberschleppen 
müssen. Es sind dies die Nachwirkungen der Sklavenbefreiung auf Englands gesamte 
Eingeborenenpolitik. So groß die zivilisatorischen Verdienste Emglands um die Mensch- 
heit durch diese Tat auch sind, seine Kolonialpolitik hat die unangenehmen Folgen des 
überstürzten Vorgehens der Philantropen oft bitter empfinden müssen. Auf dem einmal 
betretenen Wege gab es kein Halten mehr, und nachdem England endlich mit ungehenrem 
Anfwand von Mühe und Geld die anderen Kolonialstaaten gleichfalls zur Abschaffung 
der Sklaverei bewogen oder gezwungen hatte, mußte es anch fernerhin auf diesem 
Gebietc an der Spitze der Zivilisation marschieren. Dies hat zu einer so schlaffen Ein- 
geborenenpolitik geführt, daß das äußere Ansehen der Engländer und die innere Ordnung 
in manchen Kolonien, besonders auf afrikanischem Boden, darüber gefährdet ist. Nirgends 
mehr hat die öffentliche Meinung der Regierung die für den Afrikaner so nützliche Ein- 
führung der Pflichtarbeit — Kolonialgegner gebrauchen das häßliche und entstellende 
Wort Arbeitszwang — erlaubt, teilweise die politische Gleichberechtigung der Ein- 
geborenen durchgesetzt. Es ist daher kein Wunder, daß die englisch-afrikanischen Kolonien 
sich besonders gegen die deutschen oft äußerlich ungünstig präsentieren. Hier straffe 
Ordnung chne irgendwelche Brutalität und solide Arbeiterlöhne, dort dreistes faulenzendes 
Eingeborenenpack, hohe Arbeiterlöhne, ja trotz ausreichender eingeborener Bevölkerung 
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