Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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der Erde den eigenen Charakter aufzuprägen versucht. War bei Deutschland, Italien 
und Japan, die auf verhältnismäßig kleinem Raum eine rasch anschwellende Bevölkerung 
mittels expansiver handels= und industrieller Betätigung zu ernähren haben, dieses 
Vorgehen augenfällig verständlich, so mußte doch das Auftreten der Vereinigten Staaten 
außerhalb Amerikas zunächst überraschen. Zur Zeit der Annexion Hawaiis 1897 wurden 
die 9,3 Millionen Quadratkilometer der Union (17 mal so groß wie Deutschland) von 
noch nicht 75 Millionen Menschen, 8 auf den Qnadratkilometer, bewohnt, und es hatte 
den Anschein, als ob das Land anch bei der dort beliebten ausbenterischen Wirtschafts- 
methode noch viel mehr ernähren könne. Es waren auch weder Ernährungssorgen noch 
der Mangel an industriellen Rohprodukten, die das Vorgehen der Union veraulaßten, 
sondern eine in der geschichtlichen Entwicklung des Staates begründete Annexions= 
freudigkeit von Gebieten, die irgendwie in die wirtschaftliche Interessensphäre der Union 
getreten waren. Von der Begründung der Union an hat ein fortgesetztes Annektieren 
von Ländern stattgefunden. Ehe aber noch die Hälfte des jetzigen amerikanischen Gebietes 
besiedelt werden konnte, wurde mit bewußter Kühnheit und zukunftsfrendiger Energie 
die Monroedoktrin verkündet. Als alles erreichbare amerikanische Land einverleibt 
war, griff man auf andere Erdteile über, ohne sich um die logische Auslegung der Doktrin 
irgendwie Skrupel zu machen. Diese würden doch bedingen, daß nicht nur Amerika 
den Amerikanern, sondern auch Asien den Asiaten usw. gehören müsse. Den euro- 
päischen Völkern freilich konnte stets entgegengehalten werden, daß die Union, solange 
noch enropäische Kolonien auf amerikanischem Boden liegen, anch sich das Recht des 
Ubergreifens auf andere Erdteile vorbehalten dürfe, nicht aber den Asiaten in deren, 
Bereich die Union unmittelbar eingriff. Hawaii, das man geographisch freilich ebensogut 
zu Amerika wie zu Asien oder Polhnesien rechnen könnte, war bereits überwiegend 
von Japanern kolonisiert, und die Philippinen sind asiatisches Gebiet. Ob der politische 
und wirtschaftliche Gegensatz, in dem die Vereinigten Staaten seit der Einverleibung 
Hawajis zu Japan geraten sind, sich dereinst rächen wird, steht dahin. Der Gefahr, 
durch das militärisch überlegene Japan bald nach dem Frieden zu Portsmonth der 
asiatisch-ozeanischen Besitzungen beraubt zu werden, sind sie glücklich entgangen. Wie 
weit weise Voraussicht der amerikanischen Politik und gewisse Abmachungen mit Japans 
englischem Verbündeten und Geldgeber eine Rolle spielen, ist schwer zu sagen. Er- 
fahrene Politiker sind der Ansicht, daß nicht Voranssicht, wohl aber eine glückliche 
Konstellation, die sich so oft zugunsten des zielbewußt rücksichtslosen Staates im ent- 
scheidenden Angenblick einzustellen pflegt, der Union über den Berg geholfen habe. 
Jedenfalls haben die Vereinigten Staaten nichts versäumt, um ihrem allzu raschen 
Vorgehen so schnell wie möglich die nötige machtpolitische Unterlage zu geben. Nach 
Hawaik und den Philippinen wurden starke Garnisonen geworfen und dort Befestigungen 
angelegt, und vor allem in beschleunigtem Tempo sowohl der Bau einer starken Kriegs- 
flotte wie des strategisch wichtigen Panamakanals gefördert. 
Die Geschichte dieses Unternehmens ist für die zähe Euergie und grobe Rücksichts- 
losigkeit der Unionspolitik gleichermaßen charakteristisch. In der Mitte des 19. Jahr- 
hunderts, als die Union noch oft auf England Rücksicht nehmen mußte, kam der Clayton= 
Bulwer Vertrag zustande, der beide Mächte verpflichtete, innerhalb der Kanalzone 
keinerlei Besitzrechte zu erwerben, Befestigungen anzulegen oder Kriegsmacht zu halten 
und die Union an die Zustimmung bzw. Mitwirkung Englands bei dem Kanalban band. 
Unter dem Druck des Burenkrieges, dem die Vereinigten Staaten auch Tutnila ver- 
danken, trat am 5. Februar 1000 der Hay-Panncefote-Vertrag an die Stelle des Clayton= 
Bulwer von 1850, der ihnen das Recht gab, den Kanal allein zu banen und für nentral 
zu erklären. Die Union kaufte unn der in den achtziger Jahren mit ihrem Unternehmen 
gescheiterten französischen Panamakanal-Gesellschaft ihre Rechte ab — den zeitweise 
anfgetauchten Plan, den Kanal durch den Nikaragnasee zu führen, ließ man fallen — 
und beschloß die von dieser begonnene Arbeit durchzuführen. Hierbei erklärte sich der 
Kongreß entgegen dem Hay-Panncefote-Vertrag für berechtigt, den Kanal zu Kriegs-
	        
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