Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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Staatsmann muß sich klar sein, daß die Abrechnung mit Japan eine weltpolitische 
Notwendigkeit ist. 
Italien hat sich, veranlaßt durch das schmerzliche Mißlingen seiner natürlichen 
tunesischen Plänc, zu früh in das gefährliche abessinische Abenteuer gestürzt. So schädlich 
aber auch der verdiente Rückschlag von Adna für das ohnehin ungefestigte militärische 
Prestige des Königreiches war, so nützlich hat sich diese Lehre für die Zukunft erwiesen. 
Regierung und Volk kamen zu besserer Einsicht ihrer Kräfte, und gingen vor weiteren 
großen Unternehmungen daran, den jungen Staat erst innerlich auszubauen. Unter 
der sparsam umsichtigen Verwaltung Viktor Emanuels III. hat die innere Entwicklung 
besonders nach der finanziellen Seite hin große Fortschritte gemacht. Italiens Finanzen 
sind heute so trefflich geordnet, daß es den tripolitanischen Krieg, dessen Kosten für 
die 12 Kriegsmonate, einschließlich Entschädigung an die Türkei, 450 Millionen Lire 
betragen, ohne Anleihe überstehen konnte. Den Erwerb von Tripolis hatte 
Italien, das richtigerweise den Ansbau seiner Mittelmeermachtstellung als nächste 
Aufgabe erkannte, sorgsam vorbereitet, und nichts unversucht gelassen, um sich 
friedlich, d. h. durch Kauf, in den Besitz des Landes zu setzen. Obgleich die Türkei 
aus dem für sie entlegenen Gebiete, verhindert durch dringendere Pflichten, nichts 
machen konnte, lehnte sie jeden Verkauf ab. Die öffentliche Meinung tadelte damals 
scharf Italiens, ohne eigentliche Kriegserklärung begonnenen, Angriff und ließ darüber 
unbeachtet, daß es die Türkei genügend auf die Folgen seiner ablehnenden Haltung 
hingewiesen hatte. War damit allerdings anch ein der bürgerlichen Moral unsympathischer 
Zwang verbunden, so folgte Italien doch, indem es von einer ihm unentbehrlichen 
Kolonie, die dem bisherigen Besitzer nur als lästiger Ballast anhing, Besitz ergriff, dem 
Gesetz politischer Notwendigkeit. Emporstrebende Völker werden inmner die Gebiete ver- 
rotteter Staatswesen nehmen und damit das wahre Gesetzhistorischen Fortschrittes erfüllen. 
Italien hat seine natürliche Stellung im Konzert der Kolonialmächte lange miß- 
verstanden. Obgleich ebenso durch Zugehörigkeit zum Dreibund, wie durch gegenseitige 
Politische Ergänzungsmöglichkeit auf die Seite Deutschlands verwiesen, hat es sich 
gleichermaßen von englischen Betörungen wie von der Vorliebe für die größere lateinische 
Schwester becinflussen lassen. Frankreich hat Italien viel bieten dürfen, ehe dieses sich 
ernstlich auf die unabänderlichen Interessengegensätze zwischen beiden Ländern besann. 
Noch auf der Marokkokonferenz von 1906 warf Italien seinen Einfluß zugunsten Frank- 
reichs, das ihm Tunis geraubt und es in Abessinien ausgeschaltet hatte, in die Wagschale. 
Erst die zweidentige Haltung Englands und Frankreichs im Tripoliskriege scheint Italien 
die Erkenntnis gebracht zu haben, daß diese Staaten seine gefährlichsten Mittelmeer- 
gegner sind und sein müssen. Es hat damit die Brücke zu besserem Einvernehmen mit 
Osterreich in den adriatischen Fragen und zu einer charaktervolleren Dreibundpolitik, 
die seinen Interessen allein entspricht, gefunden. 
In weit höherem Maße als Frankreich und die Union wird Italien durch innere 
Notwendigkeit auf die Bahnen imperialistischer Politik verwiesen. Es ist der einzige 
romanische Staat mit erheblicher Volksvermehrung und entsprechender Auswanderung, 
die vorläufig noch fast ganz nach Amerika absließt. Allerdings halten die Italienier 
zäher als die Deutschen an ihrer Nation und Sprache fest, auch beziehen sie nach Möglich- 
keit alles aus dem Mutterland und tragen dadurch zur Entwicklung der italienischen 
Exportindustrie in hohem Maße bei. Politisch gehen die Auswanderer aber doch ver- 
loren, und so ist es nur selbstverständlich, daß Italien wenigstens einen Teil nach eigenen 
Besitzungen lenken will. Zumal die Besiedelung eigener Mittelmeergebiete würde 
Italiens zur Beherrschung dieses für alle Nationen wichtigen Biunenmceres so günstige 
ftrategische Lage noch wesentlich verbessern. Darum wird es sich nie mit der Tatsache 
abfinden dürfen, daß 100 000 Landeskinder in dem benachbarten Tunis als französische 
Untertanen leben müssen. Daß die Italiener trotzdem so lange mit den Franzosen 
liebängelten, kaun nur als Beweis einer geringen außerpolitischen Reife gewertet werden. 
Auch der Besitz von Tripolis wird Italien nicht über den Verlust von Tunis hinweg-
	        
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