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trösten dürfen, denn von Natur ist es zur Kolonisation beider Gebiete berusen. Vor-
läufig allerdings wird Italien mit der Beruhigung und Erschließung Tripolitaniens
und der Cyrenaika ausreichend zu tun haben. Bei der Nähe des Mutterlandes und der
Bedürfnislosigkeit der Italiener ist jedenfalls eine gute Entwicklung italienischer Siedlung
in den neuen Gebieten zu erhoffen. Schon manche sog. afrikanische Sandwüsten haben
Europa angenehme Enttänschungen bereitet, sobald es gelungen war, die Eingeborenen
mit der europäischen Herrschaft zu versöhnen.
An weltwirtschaftlichen Rohprodukten besitzt Jtalien Baumwolle, es fehlen ihm
Kohle, Eisen und Kautschuk. Letzterer wird allmählich in solchem Ubermaße produziert,
daß Eigenproduktion nicht mehr notwendig erscheint. Nach Kohle und Eisen wird Italien
noch lange vergeblich Ausschau halten und an ihrem Mangel zu leiden haben.
Italien steht demnach noch in jeder Hinsicht in seinen kolonialpolitischen Anfängen,
wird auch gut tun, seinen gesunden Imperialismus vorläufig auf das Ziel, die be-
herrschende Mittelmeermacht zu werden, einzustellen. Ob es dereinst eine starke Kolonial-
macht sein wird, vermag niemand vorauszusagen, jedenfalls schlummern in diesem
Staate Kräfte geung, um ihm die politische Ebenbürtigkeit mit Frankreich zuzuerkennen.
Deutschlands koloniale Aufgaben und Machtstellung.
Ans vorstehenden Ausführungen haben wir erschen, daß nur Staaten mit starker
Volkskraft Weltmachtstellung erringen können, während sich schwächerc, wie Portugal,
verbluten. Wenn diese aber gleich den Niederlanden sich rechtzeitig zu bescheiden ver-
stehen, so können ihre Bemühungen mit großen wirtschaftlichen Erfolgen belohnt werden.
Denn dies ist wohl das wichtigste Ergebnis der Kolonialgeschichte, daß keiner der koloni-
sierenden Staaten an den Unkosten seiner Kolonialpolitik zugrunde gegangen ist. Portugal
und Holland sind zwar zu politischer Bedeutungslosigkeit herabgesunken, ersteres hat
sein Volkstum durch Vermischung ganzz, letzteres zum Teil eingebüßt, aber wirtschaft-
liche Nachteile haben sie auf die Daner nicht gehabt. Selbst Portugal ist nicht mehr so
arm als in den Zeiten des Seefahrers, und Holland hat seinen in den Tagen des indischen
Zwischenhandels erworbenen Reichtum in allen folgenden Jahrhunderten behauptet.
Frankreich, zu dessen vielen natürlichen Vorzügen auch Wohlhabenheit gehört, hat aus
seiner doch so verschwendcerischen Kolonialpolitik eine beträchtliche Vermehrung seines
Wohlstandes mitgebracht. Englands Reichtum ist rein kolonialen Ursprungs. Als armes
Land hat dieser jetzt finanzkräftigste Staat der Welt seine koloniale Lanfbahn begonnen.
Selbst Spanien, das doch alles tat, um die vorhaudenen wirtschaftlichen Möglichkeiten
zu verderben, ist jedenfalls nicht durch seine Kolonialvolitik ärmer geworden. Wohl-
habenheit konnte freilich ein Staat mit so wenig wirtschaftlich begabter Bevölkerung,
der die tüchtigen fremden Elemente systematisch vertrieb und unterdrückte, niemals
erringen. Es zeigt sich aber, daß Spanien aus seinen ehemaligen Kolonien, denen es seine
Art und Sprache gab, durch diese Bande noch wirtschaftliche Vorteile ziehen kann.
Im Gegensatz zu diesen Kolonialstaaten sind Deutschland und Italien aus der
wirtschaftlich überlegenen Stellung des 16. Jahrhunderts, als sie die Rolle der Welt-
bankiers spielten, heruntergesunken, und haben die finanzielle Führung mehr und mehr
Frankreich, Holland und England überlassen müssen. Als sie endlich nach ihrer politischen
Einigung auf den Plan traten, fanden sic die besten Teile der Erde schon in anderen
Händen. Dennoch blieb ihnen, wollten sic die gebührende Weltstellung erringen, nichts
übrig, als zu nehmen was noch zu nehmen war. Die inneren Gründe für das Vorgehen
Italiens galten gleichermaßen für Deutschland, mit dem Unterschicde nur, daß Deutschland
wohl Kohle und Eisen besitzt, an der so wichtigen Baumwolle aber gänzlich Mangel
leidet. Den Markt der Rohbaumwolle beherrscht heute noch die Union mit zwei Drittel
der jährlichen Weltproduktion. Mit bekannter Rücksichtslosigkeit nützen die amerikauischen
Produzenten ihre Macht dazu aus, den europäischen Kontinent — England ist un-
abhängiger, denn es vermag einen erheblichen Teil seines Bedarfes aus Agypten, Indien
und Uganda zu decken — und damit in erster Linie das industrielle Deutschland durch