und diejenige Südwestafrikas seit der gründlichen Auseinandersetzung mit den Ein—
geborenen in den Jahren 1904 bis 1906 eine fallende Tendenz.
Die Frage einer weiteren Verminderung der Schutztruppe Südwestafrikas ist in
den letzten Jahren nicht wieder von der Tagesordnung des Reichstages verschwunden.
Es sei ihrer daher hier noch mit einigen Worten gedacht. Wenn man bedenkt, daß eine
Schutztruppe von nur rund 750 Köpfen in Südwestafrika vor dem großen Aufstand
zehn Jahre lang Ruhe und Frieden hat anfrecht zu erhalten vermocht, so tut ein ge-
wissenhafter Reichstagsabgeordneter nur seine Pflicht, wenn er jetzt die Not-
wendigkeit einer Schutztruppe von 2000 Köpfen für die genannte Kolonie an-
zuzweifeln für nötig erachtet. Dies um so mehr, wenn er sich vor Augen hält,
daß an Stelle der früher wohl bewaffneten und in festgefügten Stammes-
organisationen vereinigten Eingeborenen jetzt solche ohne Waffen, sowie — von wenigen
Ausnahmen abgesehen — mit zerstörten Stammesverbänden getreten sind. Auf der
anderen Seite aber kann man es auch den verantwortlichen Faktoren in der Kolonial-
verwaltung nicht verdenken, wenn sie sich gegen eine Verminderung der Schutztruppe
mit allen ihren zur Verfügung stehenden Mitteln wehren. Denn die Geschichte kennt
Beispiele genug, daß anscheinend zur vollständigen Ohnmacht verurteilte unterworfene
Völker, sobald sich der richtige Führer gefunden hatte, wider alles Erwarten zum noch-
maligen, ketzten Verzweiflungskampf sich erhoben und ihren bisherigen Uberwindern aber-
mals schwere Arbeit verursacht haben. Hatte doch Romz. B. sogar seinen Sklavenaufstand.
Als der Führer vorhanden war — Spartacus —, fand sich für diese macht= und waffenlosen
Haufen alles übrige, zum Kriegführen Nötige ganz von selbst. So kann sich ein Führer,
wie es feinerzeit Morenga war, in Südwestafrika immer wieder sinden. Ohne Stammes-
häuptling zu sein, hat es Morenga während des großen Aufstandes 1904 bis 1906 ver-
standen, lediglich mittels der Macht seiner Persönlichkeit, eine achtenswerte Streitmacht
amnsich zu sammeln und an deren Spitze den deutschen Truppen fast ebenso viele Schwierig-
keiten zu bereiten, als dies dem alten, kriegserfahrenen Kapitän Witboi gelungen ist.
Angesichts solcher Möglichkeiten ist es den verantwortlichen Stellen in der Kolonial-
verwaltung nachzufühlen, wenn sie sich nicht auf eine weitere Verminderung der süd-
westafrikanischen Schutztruppe einlassen wollen. Mindestens müßte die Vorfrage
entschieden werden, wer die Verantwortung zu tragen habe, falls die Verminderung
üble Folgen zeitigen sollte. Und in dieser Beziehung gibt die Vergangenheit beherzigens-
werte Lehren. Nachdem der allgemeine Eingeborenenaufstand in Südwestafrika in
den Jahren 1904 bis 1906 ansgebrochen war, bürdete fast die ganze öffentliche Meinung
in der Heimat in seltener Ubereinstimmung der angeblich zu milden Eingeborenenpolitik
des Gonverneurs die Schuld auf. Niemand aber trat der Frage näher, ob die damalige
Schutztruppe von 750 Köpfen zu einer anderen Poiitik überhaupt ausgereicht haben
würde. Denn zur Lösung der Eingeborenenfrage in den Kolonien gibt es nur zwei
Wege. Entweder muß man die Eingeborenen von Hause ans mittels Aufwendung
genügender Machtmittel unterdrücken, oder man nuß sie an die Sache der Kolonialmacht
zu fesseln suchen. Einen dritten Weg gibt es nicht. Niemand hatte damals ein erklärendes
Wort dafür, daß der Gouvernem bei seinen geringen Machtmitteln geradezu gezwungen
gewesen war, den zweiten Weg zu betreten, und daß er ihn auch mit langjährigem
Erfolge betreten hatte. Niemand schien ferner zu wissen, daß damals die ohnehin schwache
Schutztruppe mit allem belastet gewesen war, was ihr heute eine außerdem be-
stehende, rund 600 Mann starke Polizeitruppe abnimmt. Sie war mit Zoll-, Polizei-,
eine Zeitlang sogar mit dem Postdienst bepackt, außerdem mit der Ausfüllung sämt-
licher Lücken bei den Schreibkräften der zahlreichen Bureaus, kurz, sie war das reinste
„Mädchen für alles“.
Aber noch ein weiterer, besonderer Umstand spricht gegen die Verminderung der
Schutztruppe Südwestafrilas. Bis jetzt haben wir nicht die ganze Kolonie in unseren
Machtbereich einbezogen. Es fehlt uns noch die Angliederung des Ovambolandes.
Die dortigen Eingeborenenstämme werden nur durch Verträge, die zu recht wenig