Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

Sicherheitspolizei. $ 58. 157 
machungen, Plakate und Aufrufe,zu erlassen!‘. Bekannt- 
machungen sind für das Publikum bestimmte Mitteilungen aller Art, 
Plakate solche Preßerzeugnisse, welche durch Anschlagen, Anheften 
oder Ausstellen zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden sollen, 
Aufrufe sind Aufforderungen zu einer bestimmten Tätigkeit oder 
einem bestimmten Verhalten. Die landesgesetzlichen Bestimmungen 
können sich auf das öffentliche Anschlagen, Anheften und Ausstellen 
und auf die öffentliche unentgeltliche Verteilung beziehen !. Durch 
‘die Vorschrift des Reichspreßgesetzes sind aber nur die Bestimmungen 
der vor Erlaß desselben bestehenden Landesgesetze aufrecht- 
erhalten worden, welche sich speziell auf Bekanntmachungen, 
Plakate und Aufrufe bezieben '?. Dagegen ist es nicht zulässig, die- 
jenigen Vorschriften der früheren Landesgesetze, die allgemeine 
Beschränkungen der öffentlichen Verbreitung von Druckschriften 
enthalten, nach dem Inkrafttreten des Reichspreßgesetzes in bezug 
auf Bekanntmachungen, Plakate und Aufrufe noch als fernerhin in 
Kraft befindlich zu behandeln!®. Auch die Befugnis der Landes- 
gesetzgebung, neue Bestimmungen über den Verkehr mit 
Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen zu erlassen, umfaßt nur 
das Recht, sachliche Beschränkungen dieses Verkehrs einzuführen, 
insbesondere die Verbreitung gewisser Arten dieser Druckschriften 
zu verbieten oder von einer polizeilichen Erlaubnis abhängig zu 
machen. Dagegen erscheint es nicht zulässig, auf dem Wege der 
  
1° Preß-G. $ 30. . , 
1! In bezug auf den Verkauf der gedachten Druckschriften sind also 
lediglich die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend. Es hat jedoch 
dieser Punkt geringe praktische Bedeutung, da Bekanntmachungen, Plakate 
und Aufrufe in der Re el nicht den Gegenstand des Verkaufes zu bilden pflegen. 
, „[%® Eine Übersicht dieser landesgesetzlichen Vorschriftengibt v.Liszta.a. O. 
S. 58, Marquardsen S. 257, Thilo S. 117, Berner S. 336. [v.Schwarze- 
Appelius S. 247.) 
..' Dies wird namentlich für das Gebiet des preußischen Rechtes von 
Wichtigkeit. Das preuß. G. über die Presse vom 12. Mai 1851 $ 9 verbot An- 
Schlagzettel und Plakate mit Ausnahme solcher, deren Inhalt in An- 
kündigungen über gesetzlich nicht verbotene Versammlungen, über öffentliche 
Vergnügun en, über gestohlene, verlorene und gefundene Sachen, über Verkäufe 
oder in änderen Nachrichten für den gewerblichen Verkehr bestand, und mit 
Ausnahme amtlicher Bekanntmachungen öffentlicher Behörden. In $ 10 wurde 
für jede Verbreitung von Druckschriften an öffentlichen Orten das 
tfordernis einer polizeilichen Erlaubnis aufgestellt. Nach Maßgabe der obigen 
Ausführungen ist nun allerdings der $ 9 des preußischen Preßgesetzes dure 
$ 30 des Reichs reßgesetzes aufrecht erhalten worden. (Vgl. auch 0.V.G. 5, 
413) Der $ 10 ist dagegen seinem vollen Inhalte nach durch $ 43 der 
Gew.O. und $ 5 des Preß.G. ersctzt worden. (Vgl. auch die Aus- 
führungen in N. 14) Die Bestimmungen desselben dürfen nach Lage 
der Reichsgesetzgebung selbst auf Bekanntmachungen, Plakate und Aufrufe 
nicht mehr angewendet werden. Noch viel weniger kann natürlich der 
Fortbestand des ganzen $ 10 behauptet werden, denn, soweit sich derselbe auf 
andere Druckschriften als Bekanntmachungen, Plakate und Aufrufe bezieht, 
berührt derselbe ein Gebiet, welches überhaupt gänzlich außerhalb des Bereiches 
er Landesgesetzgebung liegt. Die frühere preußische Praxis ging allerdings 
von anderen Anschauungen aus und betrachtete den $ 10 noch als in Geltung 
befindlich. (Vgl. die Mitteilungen des Abg. Traeger in der Reichstagssitzung 
vom 12. April 1883. Sten. Ber. 8, 1879.) Diese Praxis muß aber als unbe- 
rechtigt bezeichnet werden.
	        
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