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die Verfassung speziell vorgeschrieben ist. So kommt z.B. die Ver-
leihung von Eisenbahnkonzessionen und Enteignungsrechten, die Vor-
nahme von Naturalisationen, die Erteilung prinzipieller Ermächtigungen
durch die gesetzgebenden Organe vor, obgleich alle diese Akte
materiell den Charakter von Verwaltungsakten haben. Anderseits
steht den Verwaltungsorganen nicht bloß die Befugnis zu,
konkrete Angelegenheiten zu regeln; sie besitzen kraft gesetzlicher
Ermächtigung auch das Recht, allgemeine für die Untertanen verbind-
liche Reehtsvorschriften, sogenannte Rechtsverordnungen, also Anord-
nungen, die ihrem materiellen Inhalte nach Gesetze sind, zu erlassen.
‚ Dieselbe Verschiebung der prinzipiellen Grenze besteht auch
zwischen Verwaltungsorganen und Gerichten’. Den Ge-
richten ist keineswegs die Ausübung der gesamten Rechtspflege zu-
gewiesen, ihre Tätigkeit beschränkt sich auf zwei Gebiete derselben,
die Zivilrechtspflege und die Strafrechtspflege Die
Rechtsprechung dagegen, welche auf dem Gebiete der Verwaltung
stattfindet, wird durch die Verwaltungsorgane, entweder durch
die gewöhnlichen Verwaltungsbehörden oder durch besondere Ver-
waltungsgerichte, ausgeübt. Ja den Verwaltungsorganen sind zum
Teil sogar Befugnisse der Rechtsprechung eingeräumt, die Gegen-
stände der Zivilrechtspflege und Strafrechtspflege betreffen. So steht
in manchen Staaten die Entscheidung privatrechtlicher Streitigkeiten
auf solchen Rechtsgebieten, wo sich Privatrecht und Polizei berühren,
z. B. auf dem des Wasserrechtes, Jagdrechtes, Fischereirechtes, den
Verwaltungsbehörden zu. Die Gemeinde- und Ortspolizeibehörden
besitzen ein Entscheidungsrecht in Streitigkeiten der selbständigen
Gewerbetreibenden mit ihren Arbeitern und der Dienstherrschaft mit
ihrem Gesinde, die Seemannsämter in Streitigkeiten des Schiffsführers
mit der Schiffsmannschaft. Die Verwaltungsbehörden haben ferner
das Recht provisorischer Straffestsetzungen bei gewissen Vergehen. —
Anderseits beschränkt sich die Tätigkeit der Gerichte nicht auf
die Funktionen der Rechtsprechung, sondern umfaßt auch die so-
genannte freiwillige Gerichtsbarkeit. Die Akte der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit bestehen teils in einer Mitwirkung bei Begründung von
Rechtsverhältnissen, teils in Beurkundungen, teils in der Aufsicht
über Personen, welche fremdes Vermögen verwalten, teils in der
Verwahrung von Urkunden und Wertgegenständen. Sie sind also
Handlungen, welche als Ausfluß der fürsorgenden Tätigkeit des Staates
r die Privatverhältnisse seiner Angehörigen erscheinen und charak-
terisieren sich ihrem materiellen Gehalte nach als Verwaltungs-
handlungen.
... Infolge dieser Verschiebungen, die hinsichtlich der Abgrenzung
der verschiedenen Gebiete staatlicher Tätigkeit stattgefunden haben,
sind neben den ursprünglichen Begriffen der Gesetzgebung,
Verwaltung und Rechtspflege noch anderweite entstanden. Letztere
knüpfen nicht an den materiellen Inhalt der betreffenden Tätig-
keiten, sondern an die Organe an, die zu ihrer Ausübung berufen
? (Vgl. Vierhaus, Gerichtsbarkeit und Verwaltungshoheit. (Literatur.)
Verw.Arch. 11, 222; Otto Mayer, Justiz und Verwaltung. 1902.]
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