Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

Sicherheitspolizei. $ 66. 177 
II. Außerordentliche sicherheitspolizeiliche 
Maßregeln. 
1. Kriegszustand (Belagerungszustand)'. 
8 66. 
Das Wesen des Kriegszustandes oder Belagerungs- 
zustandes besteht in der Unterordnung der gesamten Verwaltung 
unter die militärische Autorität”. Das Institut ist aus der fran- 
zösischen Gesetzgebung in die verschiedenen deutschen Staaten über- 
gegangen®. Nach diesen besitzt die Regierung das Recht, in Zeiten 
außerordentlicher Gefahr den Kriegs- oder Belagerungszustand zu 
proklamieren. Die Folge einer solchen Proklamierung ist der Über- 
gang der vollziehenden Gewalt auf die Militärbehörden, die Befugnis 
zur Suspendierung gewisser Verfassungsartikel, namentlich die Be- 
stimmungen über Verhaftungen, Haussuchungen, Briefgeheimnis, 
Vereins- und Versammlungsrecht, Presse, sowie die Zulässigkeit der 
Einsetzung von Kriegsgerichten. 
Durch die Reichsverfassung ist dem Kaiser das Recht beigelegt 
worden, jeden Teil des Reichsgebietes in Kriegszustand zu erklären, 
wenn die öffentliche Sicherheit daselbst bedroht erscheint. Für die 
Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkung einer 
solchen Erklärung sollen bis zum Erlaß eines darauf bezüglichen 
Reichsgesetzes die Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 4. Juni 
1851 maßgebend sein. Auf Bayern findet die kaiserliche Befugnis 
vorläufig keine Anwendung, weil das preußische Gesetz auf Bayern 
nicht ausgedehnt, die Regelung des Gegenstandes vielmehr einem be- 
sonderen Reichsgesetze vorbehalten ist. 
Bei der Betrachtung des geltenden Rechtes muß demnach zwischen 
dem vom Kaiser auf Grund reichsgesetzlicher und dem von den 
einzelnen Landesregierungen auf Grund landesgesetzlicher Vorschrift 
proklamierten Kriegszustande unterschieden werden. 
  
v 1 Reinach, De l’etat de siöge, 1885; Seydel, Art. Belagerungszustand, 
MW. 3, 158; (Hald y, Belagerungszustand in Preußen, 1906; Titeratur und 
aterialien bei Stenglein, Nebengesetze Nr. 21 S. 368°]. 
® Das Institut hat seine Ausbildung in der französischen Gesetzgebun 
efunden. Es erscheint zuerst in dem G. vom 8. Juli 1791 Tit. I, $ 5® 
inen Überblick über die weitere Entwieklung der französischen Gesetzgebun 
gt Ygloltzemdorff, RL. 1, 261; Reinach S. 95; Seydel, H.P.Oe. 
d ® Preuß. G. über den Belagerungszustand, vom 4. Juni 1851. Süchs. G., 
. Verfahren bei Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit betr., vom 
sc Mai 1851. Bad. G., den Kriegszustand betr., vom 29. Jan. 1851; G. das 
tandrecht betr., vom 29. Jan. 1851. 
* R.Verf. Art. 68. 
5 Vertr. vom 23. Nov. 1870 Nr. III & 5 VI. Über den in Bayern be- 
gehenden Rechtszustand vgl. Seydel, V.R.W. 1, 160; [Seydel-Graßmann 
- 265; Laband 4, 46] 
Meyer-Dochow, Doutsches Verwaltungsrecht. 3. Aufl. 12
	        
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