183 Zweites Buch, Dritter Abschnitt. $ 70.
Folge zu leisten. Dieser muß unverzüglich die Entscheidung des
Kaisers über Verhängung des Kriegszustandes einholen. Bundesrat
und Reichstag ist über die Anordnungen sofort bei ihrem nächsten
Zusammentreten Rechenschaft abzulegen ®.
Dritter Abschnitt.
Sittenpolizei'.
Einleitung.
8 70.
Da der Staat sich nur im Besitze von äußerlichen Zwangsmitteln
befindet und das innere Leben der Menschheit seiner Einwirkung
verschlossen ist, so kann er für die Förderung der Sittlichkeit un-
mittelbar gar nichts tun. Er ist nicht imstande, im Individuum
eine sittliche Gesinnung zu erzeugen. Nur insoweit, als die unsitt-
lichen Grundsätze desselben in die äußere Erscheinung treten, ver-
mag er dagegen einzuschreiten. Er tut das einmal, indem er gewisse
von ihm als unsittlich erkannte Handlungen verbietet, und unter
Strafe stellt. Diese Verbote gehören dem Strafrecht, nicht dem
Verwaltungsrecht an?. Aber die Tätigkeit des Staates zur Be-
3 R.G. über die Vorbereitung des Kriegszustandes in Elsaß- Lothringen
vom 30. Mai 1892. gl. Laband 4, 46; Bruck 2, 183.]
1 (G. Meyer hatte die Sittenpolizei als Inbegriff derjenigen polizei-
lichen Maßregeln bezeichnet, welche die Beförderung der allgemeinen Sittlich-
keit bezwecken. Loening behandelt im H.P.Oe.* 8, Il, 471 unter der Überschrift
Sittlichkeitspolizei Trunksucht, Spielsucht, geschlechtliche Ausschweifungen
und Tierquälerei; Otto Mayer Art. Sittenpolizei V.R.W. 2, 455 bezeichnet
als Sittenpolizei den Zweig der Polizei, welcher die Aufrechterhaltung der
ten Sitten im Volk, den Schutz der öffentlichen Sittlichkeit zum Gegenstande
Bar . „Unter der guten Sitte ist verstanden ein gewisses Maßhalten in niederen
Genüssen und Äußerungen der Lebenslust.“ Die Unzuchtspolizei ist Sittenpolizei
im engeren Sinne. ,
u den Maßnahmen gegen geschlechtliche Ausschweifungen gehört auch
die Bekämpfung des Mädchenhandels, vol. R.G. über das Auswanderungswesen
vom 9. Juni 1897 (Kommentare Goetsch 2. Aufl. 1907, Stoerk 1899; Stenglein,
Nebengesetze Nr. 18 S. 345); Abkommen über Verwaltungsmaßregeln zur, Be-
kämpfung des Mädchenhandels vom 18. Mai 1904; deutsch-niederländisches Über-
einkommen vom 15. November 1889, deutsch-belgisches Übereinkommen vom
4. September 1890; v. Liszt, Völkerr. $ 35; v. Ullmann, Völkerr. $ 134;
Loening, Art. A d gesetzgebung H.W.B.? 2, 306. Hierher gehören
auch die Maßnahmen gegen die Verbreitung von die Sittlichkeit verletzenden
und ‚peführöenden Gegenständen. Vgl. Mittermaier, Strafrechtsvergleichung
Bes.T. 4, 197. Dagegen gehört die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in
das Gebiet der Seuchenbekämpfung.]
® So z.B. die Bestimmungen über Tierquälerei R.Str.G.B. & 360 Nr. 18.
[Bestraft wird, „wer öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft