Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

339 Zweites Buch. Fünfter. Abschnitt. $ 86. 
sich aus dem Gemeindevorstande, dem Pfarrer, einigen Mitgliedern 
der Gemeinde oder Gemeindevertretung und dem Lehrer, bei größeren 
Schulen dem Direktor zusammensetzt!. Die Überwachung des Volks- 
schulunterrichtes geschieht entweder durch den Schulvorstand ale 
Kollegium oder durch ein einzelnes Mitglied desselben, das als Orts- 
schulinspektor fungiert. Der lokalen Aufsicht durch den Pfarrer ent- 
sprach die Kreis- oder Bezirksaufsicht durch den protestan- 
tischen Superintendenten und katholischen Dechanten. Sie Batte sich 
auch dann noch erhalten, als die Schulen bereits des konfessionellen 
Charakters entkleidet und zu Staatsanstalten geworden waren !.. 
Durch die neuere Gesetzgebung ist sie jedoch ebenfalls beseitigt 
worden. Die Bezirks- oder Kreisaufsicht über die Volksschulen 
hat jetzt den Charakter eines staatlichen Amtes angenommen, das 
zwar nach einigen Gesetzgebungen einem Geistlichen als Ehren- und 
Nebenamt in widerruflicher Weise übertragen werden kann'®, nach 
andern dagegen einem theoretisch und praktisch gebildeten Schul- 
manne übertragen werden muß!?. Dieser übt seine Befugnisse teils, 
namentlich was die technische Seite des Unterrichtswesens betrifft, 
allein, teils in Verbindung mit dem höheren Verwaltungsbeamten des 
betreffenden Bezirkes aus. Die aus diesen beiden Personen be- 
stehende Behörde wird als Bezirksschulinspektion oder Schulamt be- 
zeichnet %. 
Die Volksschullehrer erhalten ihre Ausbildung in besonderen 
Schullehrerseminaren, obwohl eine private Ausbildung nicht aus- 
geschlossen ist. Die Befähigung zum Amte muß durch Prüfungen 
nachgewiesen werden 5. Das Recht, die Lehrer anzustellen, wurde 
in früherer Zeit als ein Ausfluß der Befugnis, die Kirchenämter zu 
besetzen angesehen. Infolge dieser Auffassung hatte sich ein dem 
Kirchenpatronate parallel gehendes Schulpatronat entwickelt. Das- 
selbe ist auch unter der Herrschaft der neuen Schulgesetzgebung be- 
stehen geblieben !. Wo ein privates Schulpatronat nicht existiert, 
steht die Befugnis der Besetzung der Lehrerstellen entweder der 
Gemeinde unter Bestätigung der Aufsichtsbehörde oder den staat- 
lichen Verwaltungsorganen zu. Die Lehrer haben den Charakter 
von Beamten und zwar entweder den von Staats- oder den von 
  
10 Über die Schulvorstände und städtischen Schuldeputationen in Preußen 
Y 1. G. von 1906 $8 43 ff, dazu Loening, Jahrb. 8, 129.]; über die bayerischen 
okalinspektionen [Seydel-Graßmann S. 330.] 
11 So namentlich in Preußen. Vgl. v. Roenn e, preuß, Staatsr. 4, $ 396, 
, 18 Preuß. G. vom 11. März 1872 $ 2. Dieselbe Einrichtung besteht auch 
in Bayern. 
18 So in Sachsen, Baden, Hessen. 
. So in Sachsen. In Hessen gehören zur Kreisschulinspektion außer dem 
Kreisrat und dem Schulinspektor noch einige vom Kreisausschuß gewählte Mit- 
glieder und die Bürgermeister der größeren Städte, 
16 Es besteht eine zweifache rüfung, eine wissenschaftliche, deren Be- 
stehen zur provisorischen, und eine praktische, deren Bestehen zur definitiven 
Anstellung befähigt. 
ı# Aufgehoben ist das Schulpatronat u. a. in Baden.
	        
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