Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

240 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. $ 95. 
stellung von Landstraßen im Interesse der Landesverteidigung und 
des allgemeinen Verkehrs zu?. Kraft dieser Gesetzgebungsbefugni 
kann dasselbe die Herstellung derartiger Straßen aus Reichsmitteln 
und die Verwaltung derselben von Reichswegen anordnen‘. Es hat 
jedoch von den Befugnissen bisher tatsächlich keinen Gebrauch 
gemacht. 
Die den erwähnten politischen Verbänden obliegenden Wege- 
lasten verteilen sich auf deren Angehörige. Bis in das neun- 
zehnte Jahrhundert hinein beruhte der Wegebau im wesentlichen 
auf Naturalleistungen. Nicht nur die Herstellung der Ge- 
meindewege erfolgte vermittelst der von den einzelnen Gemeinde- 
angehörigen zu leistenden Hand- und Spannfronden; auch der Staat 
hatte die Befugnis, beim Bau der Heerstraßen die Bewohner der 
von denselben berührten Gegenden zu derartigen Diensten heran- 
zuziehen. Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts ist das System 
der Naturalwirtschaft beim Wegebau mehr und mehr durch das der 
Geldwirtschaft ersetzt worden. An Stelle der Straßenfronden der 
Anwohner bei der Herstellung von Staatsstraßen sind Beiträge der 
von denselben durchzogenen Gemeinden getreten. Die von den Ge- 
meinden und Kreisen herzustellenden Straßen werden ebenfalls 
größtenteils durch gedungene Arbeiter ausgeführt und die Kosten 
der Herstellung im Wege der Umlagen aufgebracht. Es haben sich 
jedoch noch manche Reste der Naturalwirtschaft sowohl für den 
Bau der Gemeindewege als für den der Staats-, Provinzial- und 
Kreisstraßen erhalten. Soweit solche bestehen, beruhen die Grund- 
sätze über Umfang der zu leistenden Naturaldienste und die Ver- 
hat für die Landstraßen der Staat, für die Kreisstraßen der Kreis und für die 
Gemeindewege die Gemeinde aufzukommen. [Vgl. über die Abweichungen 
bei Walz, Bad. Staater. 8. 368%] In Hessen liegt Bau und Unter- 
haltung der Kunststraßen, nachdem die zeitweilig bestehende Kategorie der 
Provinzialstraßen wieder aufgegeben ist, teils dem Staate, teils den Kreisen 
ob. (G. vom 27. April 1881), die Aizinalwege werden von den Gemeinden an- 
relegt. (G. vom 6. November 1860), In Elsaß-Lothringen gilt noch das 
Französische Recht, welches Staatsstraßen, Departementalstraßen und Vizinal- 
wege unterscheidet. Die Staatsstraßen zerfallen in drei Klassen, die ersten 
beiden werden ausschließlich vom Staate unterhalten, während bei der dritten 
Klasse eine Beteiligung der Departements (Bezirke) stattfindet. (Dekr. vom 
16. Dezember 1811 Ärt. 5, 6). Die Departemental- (jetzt Bezirks)-straßen werden 
von den Bezirken unter Beteiligung der Kreise und Gemeinden unterhalten. 
(Dekr. vom 16. Dez. 1811 Art. 7 u. 17). Die Vizinalwege zerfallen in drei 
Klassen: die chemins de grande communication, d’ inter6t commune und vici- 
naux ordinaires. Sie sind grundsätzlich von den Gemeinden zu unterhalten, 
für die Vizinalwege crster Klasse, in außerordentlichen Fällen auch die der 
andern beiden Klassen, werden jedoch Zuschüsse aus Bezirksmitteln geleistet. 
(G. vom 21. Mai 1836 Art. 1, 8.) 
3 R.Verf. Art. 4 Nr. 8. 
* A. A.: Haenel 1, 622, welcher meint, die Ausführung des Baues, die 
Unterhaltung und sonstige Verwaltung verbleibe auch hinsichtlich der auf 
Grund eines Reichsgesetzes hergestellten Landstraßen den Einzelstaaten vor- 
behalten. Diese Ansicht erklärt sich aus der Meinung des Verf., daß das Reich 
nicht befugt sei, sich im Wege der einfachen Gesetzgebung Verwaltungs- 
befugnisse beizulegen. Vgl. dagegen Meyer-Anschütz $ 164.
	        
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