IV. Eisenbahn, Post, Telegraphie. $ 111. 297
Reichsgesetzblatt!?; es genügt, wenn durch Veröffentlichung dem
Publikum Gelegenheit gegeben ist, sich mit denselben bekannt zu
machen. Die Befugnis zum Erlaß derartiger Verordnungen steht zu:
a. für den Post- und Telegraphenverkehr im Gebiete der
Reichsverwaltung dem Kaiser und den diesem untergeordneten
Zentralbehörden !®,
für den Post- und Telegraphenverkehr im Gebiete der bay-
rischen und württembergischen Landesverwaltung den
betreffenden Landesregierungen®®,
c. für den Zwischenverkehr zwischen den Gebieten
der Reichsverwaltung, bayrischen Verwaltung und
württembe rei schen Verwaltung, soweit nicht reichsgesetzlich
etwas anderes bestimmt ist, dem Bundesrate?‘. Auf dem Gebiete
des Postwesens ist die Befugnis zur Regelung des Zwischenverkehres
dem Reichskanzler übertragen, welcher in einzelnen Beziehungen der
Zustimmung des Bundesrates bedarf?!.
Auf Grund dieser Verordnungsbefugnisse ist eine Reichspost-
ordnung erlassen, welche sowohl auf den Verkehr im Reichspost-
gebiete als auf den Zwischenverkehr zwischen den Gebieten der
Reichspostverwaltung, bayrischen und württembergischen Postver-
waltung Anwendung findet?®. Für den inneren Verkehr im bayrischen
zumessen ist, ist vom Reichsgericht wiederliolt anerkannt worden (R,Str. 12, 326;
17,145: R.Ziv. 48, 98). Auf unrichtige Anwendung der Post-O. kann mithin das
Rechtsmittel der Revision gestützt werden. (R.Ziv. 19, 104; vgl. auch 48, 85.)
Irrtum in bezug auf Bestimmungen der Post-O. ist Reehtsirrtum.“
17 Dies behaupten Hensel, Annalen 1882 S. 28; Mittelstein S. 2.
Wirsing, Die zivilrechtliche Haftung der Post 1892 $. 8 von dem Gesichts-
punkte ausgehend, daß es sich hier um gesetzesvertretende Verordnungen
handele.
18 R.Verf.Art. 50 nennt allerdings nur den Kaiser als Inhaber des Ver-
ordnungsrechtes. Es besteht jedoch kein Bedenken, unter dieser Bezeichnung
auch die als Organe des Kaisers fungierenden höheren Behörden mit zu be-
greifen. Eine solche Auffassung ist umsomehr zulässig. als die nordd. B.Verf.
an derselben Stelle den Ausdruck „Bundespräsidium“ hatte, welcher vielfach
als eine, derartige Kollektivbezeichnung vorkam. Die in $ 50 des P.G. ent-
haltene Übertragung der Befugnis zum Erlaß des Postreglements auf den Reichs-
anzler involviert demnach — entgegen der Auffassung von Hensel, Annalen
27 u. 28; Mittelstein, S. 1; Wirsing, 8.9 — keine Abänderung der
Reichsverfassung. Auch die ebendaselbst sich findende Bestimmung, daß der
Reichskanzler beim Erlaß des Reglements in einigen Punkten an die Zustimmung
des Bundesrates gebunden sein soll, ist nicht als Verfassungsänderung anzu-
sehen, da sie die Befugnis des Reichskanzlers zum Erlaß_des Reglements nicht
aufhebt, sondern nur die Ausübung derselben in einigen Punkten an besondere
Voraussetzungen knüpft. Der 5 50 des P.G. würde also auch dann gültig sein,
wenn er die für Verfassungsänderungen erforderliche Majorität im Bundesrat
nicht gefunden hätte. Übereinstimmend Dambach-v. Grimm.
19 R.Verf. Art. 52 Post-G. 3 50.
2° Da Art. 50 der R.Verf. über das Verordnungsrecht des Kaisers gemäß
den Vorschriften in Art. 52 auf Bayern und Württemberg keine Anwendun
ndet, so sind für den Zwischenverkehr die allgemeinen Grundsätze des Art. 7,
Nr. 2 der R.-Verf. über das Verordnungsrecht. des Bundesrates für maßgebend
zu erachten.
1 Post-G. $ 50.
22 Post-Ordnung vom |20. März 1900 (Z.Bl. 8. 53) trat au Stelle der Post-O.
vom 11. Juni 1892; wiederholt abgeändert, unter Berücksichtigung der Änderungen
bis 1907 abgedruckt bei Fischer-König S. 125.]