Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

24 Erstes Buch. 3 6, 
freiwilligem Beitritt. Der Verein besitzt gegenüber seinen Mitgliedern 
keinerlei Zwangsrechte, er ist, wenn er gegen sie vorgehen will, ge- 
nötigt, die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen. Dies ändert 
sich auch dadurch nicht, daß ein Verein Korporationsrechte erhält, 
denn eine derartige Verleihung hat nur den Erfolg, ihn zu einem 
selbständigen Subjekte des Privatrechtes zu machen. Selbst der 
Umstand, daß Vereine oder Korporationen sich die Förderung ge- 
wisser öffentlicher Interessen zur Aufgabe stellen, läßt dieselben noch 
nicht aus dem Bereiche des Privatrechtes hinaustreten. Er kann zur 
Folge haben, daß zwischen ihnen und dem Staate nähere Beziehungen 
entstehen. Der Staat kann solchen Vereinen eine privilegierte 
Stellung einräumen, er kann Aufsichtsrechte über sie in Anspruch 
nehmen, er kann einen Beitrittszwang entweder allgemein durch Ge- 
setz oder durch eine Anordnung der Bebörde im einzelnen Fall aus- 
sprechen. Aber trotzdem bleiben die Vereine oder Korporationen 
doch lediglich privatrechtliche Subjekte. Subjekte des öffentlichen 
Rechtes werden sie erst dadurch, daß sie obrigkeitliche Gewalt 
besitzen. Derartige öffentlich rechtliche Korporationen 
können vom Staate für von ihm gewollte Zwecke errichtet, mit 
obrigkeitlichen Befugnissen ausgestattet und dadurch zu einem Gliede 
der Staatsverwaltung werden. Es gibt aber auch öffentlich rechtliche 
Korporationen, welche unabhängig vom Staate entstanden sind, deren 
obrigkeitliche Gewalt vom Staate nicht geschaffen, sondern nur an- 
erkannt ist, so namentlich die Kirchen!!. Bei den öffentlichen 
Korporationen findet in der Regel ein Beitrittszwang statt, obwohl 
die Eigenschaft als öffentliche Korporation und der Beitrittszwang 
nicht notwendig zusammenfallen. Ebenso wie Korporationen können 
auch öffentliche Anstalten, die mit besonderer Rechtssubjektivität 
ausgestattet sind, für die Erfüllung vom Staat gewollter Zwecke er- 
richtet und dem Organismus der Staatsverwaltung eingefügt werden. 
2. Verwaltungsorganisation des Deutschen Reiches’. 
86. 
Die obersten Verwaltungsorgane des Reiches sind Kaiser und 
Bundesrat. Die Verwaltungsbefugnisse verteilen sich unter die- 
.. U Daß das Wesen der öffentlich rechtlichen Korporationen in dem Besitz 
einer obrigkeitlichen Gewalt besteht, wird anerkannt von Hinschius, Ver- 
hältnis von Staat und Kirche. Marquardsens Handbuch des öffentlichen 
Rechtes. 1, 250 ff; Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche 
Rechtsprechung. 1887. S. 162 #. Jellinek, System®. $. 273. — Eine 
andere Theorie stellt auf Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossen- 
schaft. 1886. Er bezeichnet ($. 18) als öffentliche Genossenschaft diejenige, 
welche kraft öffentlichen Rechtes dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes 
verpflichtet ist. Diese Charakterisierung trifft nicht zu. Unter den aufgestellten 
Begriff fallen nicht die Kirchen, deren Rechtsstellung doch zur Entwickelung 
des Begriffes der öffentlichen Korporation wesentlich Veranlassung egeben. 
Anderseits gibt es auch Privatkorporationen, welche dem Staate zur Erfüllung 
ihres Zweckes verpflichtet sind. 
1 [Vgl. Meyer-Anschütz $ 120 ff. über die Organisation des Deutschen 
Reiches; auch Laband 1, 191, insbesondere über die Reichsbehörden 1, 337; 
R.St.R. $ 13. IV]
	        
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