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freiwilligem Beitritt. Der Verein besitzt gegenüber seinen Mitgliedern
keinerlei Zwangsrechte, er ist, wenn er gegen sie vorgehen will, ge-
nötigt, die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen. Dies ändert
sich auch dadurch nicht, daß ein Verein Korporationsrechte erhält,
denn eine derartige Verleihung hat nur den Erfolg, ihn zu einem
selbständigen Subjekte des Privatrechtes zu machen. Selbst der
Umstand, daß Vereine oder Korporationen sich die Förderung ge-
wisser öffentlicher Interessen zur Aufgabe stellen, läßt dieselben noch
nicht aus dem Bereiche des Privatrechtes hinaustreten. Er kann zur
Folge haben, daß zwischen ihnen und dem Staate nähere Beziehungen
entstehen. Der Staat kann solchen Vereinen eine privilegierte
Stellung einräumen, er kann Aufsichtsrechte über sie in Anspruch
nehmen, er kann einen Beitrittszwang entweder allgemein durch Ge-
setz oder durch eine Anordnung der Bebörde im einzelnen Fall aus-
sprechen. Aber trotzdem bleiben die Vereine oder Korporationen
doch lediglich privatrechtliche Subjekte. Subjekte des öffentlichen
Rechtes werden sie erst dadurch, daß sie obrigkeitliche Gewalt
besitzen. Derartige öffentlich rechtliche Korporationen
können vom Staate für von ihm gewollte Zwecke errichtet, mit
obrigkeitlichen Befugnissen ausgestattet und dadurch zu einem Gliede
der Staatsverwaltung werden. Es gibt aber auch öffentlich rechtliche
Korporationen, welche unabhängig vom Staate entstanden sind, deren
obrigkeitliche Gewalt vom Staate nicht geschaffen, sondern nur an-
erkannt ist, so namentlich die Kirchen!!. Bei den öffentlichen
Korporationen findet in der Regel ein Beitrittszwang statt, obwohl
die Eigenschaft als öffentliche Korporation und der Beitrittszwang
nicht notwendig zusammenfallen. Ebenso wie Korporationen können
auch öffentliche Anstalten, die mit besonderer Rechtssubjektivität
ausgestattet sind, für die Erfüllung vom Staat gewollter Zwecke er-
richtet und dem Organismus der Staatsverwaltung eingefügt werden.
2. Verwaltungsorganisation des Deutschen Reiches’.
86.
Die obersten Verwaltungsorgane des Reiches sind Kaiser und
Bundesrat. Die Verwaltungsbefugnisse verteilen sich unter die-
.. U Daß das Wesen der öffentlich rechtlichen Korporationen in dem Besitz
einer obrigkeitlichen Gewalt besteht, wird anerkannt von Hinschius, Ver-
hältnis von Staat und Kirche. Marquardsens Handbuch des öffentlichen
Rechtes. 1, 250 ff; Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche
Rechtsprechung. 1887. S. 162 #. Jellinek, System®. $. 273. — Eine
andere Theorie stellt auf Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossen-
schaft. 1886. Er bezeichnet ($. 18) als öffentliche Genossenschaft diejenige,
welche kraft öffentlichen Rechtes dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes
verpflichtet ist. Diese Charakterisierung trifft nicht zu. Unter den aufgestellten
Begriff fallen nicht die Kirchen, deren Rechtsstellung doch zur Entwickelung
des Begriffes der öffentlichen Korporation wesentlich Veranlassung egeben.
Anderseits gibt es auch Privatkorporationen, welche dem Staate zur Erfüllung
ihres Zweckes verpflichtet sind.
1 [Vgl. Meyer-Anschütz $ 120 ff. über die Organisation des Deutschen
Reiches; auch Laband 1, 191, insbesondere über die Reichsbehörden 1, 337;
R.St.R. $ 13. IV]