Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

496 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. $ 153. 
die gewerbliche Anlagen in einzelnen Ortsteilen gar nicht oder nur 
unter Beschränkungen zugelassen werden, finden auch auf die im 
$ 16 erwähnten Betriebe Anwendung ®%.] 4. Die höheren Ver- 
waltungsbehörden endlich sind befugt, durch Polizeiver- 
ordnung Bestimmung darüber zu treffen, welche Entfernung durch 
Wind bewegte Triebwerke von benachbarten fremden Grund- 
stücken oder von öffentlichen Wegen inne zu halten haben®”. 
U. Die polizeilichen Verbietungsrechte®®, welche in 
bezug auf gewerbliche Anlagen bestehen, haben nur den Betrieb, 
nicht die Existenz derselben zum Gegenstande. Es kann durch 
polizeiliche Verfügung niemals die Wegräumung der Anlage, sondern 
immer nur die Einstellung des Betriebes angeordnet werden. Die 
Anordnung einer solchen Einstellung des Betriebes durch die Polizei- 
behörde ist aber in zwei Fällen zulässig: 
1. Der Betrieb einer jeden Anlage, einerlei ob sie kon- 
zessionspflichtig ist oder nicht, ob sie vor oder nach Erlaß der 
Reichsgewerbeordnung entstanden, kann wegen überwiegender 
Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl untersagt 
werden ®®. In diesem Falle muß jedoch dem Besitzer für den erweis- 
lichen Schaden Ersatz geleistet werden. Die Pflicht zur Ent- 
schädigung liegt dem Staate ob. Die Untersagung hat also in diesem 
Falle den Charakter einer Enteignung. Nur bei solchen vor Ver- 
kündigung der Reichsgewerbeordnung errichteten Anlagen, bei welchen 
der Widerruf der Genehmigung ohne Entschädigung ausdrücklich 
vorbehalten ist, fällt die Pflicht zur Entschädigung fort. Dagegen ıst 
nach dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung die Genehmigung einer 
Anlage unter Vorbehalt überhaupt nicht mehr zulässig, und auch ein 
derartiger Vorbehalt, welcher in der Zeit von der Verkündung bis 
zum Inkrafttreten des Gesetzes gemacht worden ist, äußert keine 
rechtlichen Wirkungen. Die Entscheidung über die Einstellung des 
Betriebes erfolgt endgültig im Verwaltungsverfahren; wegen der Ent- 
schädigung steht der Rechtsweg offen. 
2. Der Betrieb solcher gewerblicher Anlagen, welche un- 
gewöhnliches Geräusch verursachen, kann untersagt oder be- 
schränkt werden, wenn in der Nähe der Betriebsstätte öffentliche 
Gebäude, Kirchen, Schulen, Krankenhäuser oder Heilanstalten 2° vor“ 
  
20 (Gew.O. $ 23 Abs. 3.] 
*7 [Gew.O. $ 28] 
38 (Otto Mayer 2, 352°; Biermann, Privatrecht u..Polizei in Preußen. 
1897. S. 44; Neukamp, Verw. Arch. 5, 223] 
-? Gew.O. sh 51 und 52. Vgl. v. Preen, Zeitschr. f. bad. Verwaltung- 
1, 117; [Meyer-AÄnschütz $ 222; Landmann-Rohmer $ 51°: O0. Mayer: 
Die Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht 1905; Molitos: 
Über die Haftung des Staates bei Verletzung von Privatrechten, Arch. f., ko 
R. 20, 265; Hörle, Die Beeinträchtigung des Eigentums durch gewerblich? 
Anlagen nach dem B.G.B. und der Gew.O. ($$ 306, 907 B.G.B.: 88 26, 
Gew.D.) Verw.-Arch. 10, 366). 
% [Auch Privatanstalten vgl. Gew.O. $ 30 Abs. 1.]
	        
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