472 Drittes Buch. $ 170.
nicht besitzt”. Hiervon besteht jedoch eine allgemeine völker-
rechtliche Ausnahme. Nach völkerrechtlichen Grundsätzen haben
die Gesandten bei Verbrechen der zur Gesandtschaft gehörigen Per-
sonen, die als exterritorial angesehen werden, das sog. Recht des
ersten Angriffs, d. h. die Befugnis, den Tatbestand des Ver-
brechens festzustellen, den Verbrecher vorläufig festzunehmen oder,
wenn er außerhalb des Gesandtschaftsquartiers ergriffen ist, dessen
Auslieferung von der fremden Regierung zu verlangen und ihn zur
Bestrafung an das zuständige inländische Gericht abzuliefern®. Diese
obrigkeitliche Gewalt der Gesandten ist möglich, weil sie sich auf
Personen erstreckt und in Räumlichkeiten ausgeübt wird, die der
Herrschaft der fremden Staatsgewalt nicht unterworfen sind. Sie ist
notwendig, weil eine Bestrafung des Verbrechers sonst überhaupt
nicht möglich wäre, da die fremden Gerichte rechtlich, die heimat-
lichen tatsächlich nicht in der Lage sind, gegen ihn vorzugehen.
Den Gesandten des Reiches ist ferner durch die Reichsgesetz-
gebung die Befugnis zur Vornahme vonrechtsbegründenden
Akten und von Beurkundungen beigelegt worden. Diese
Tätigkeiten haben zwar auch den Charakter obrigkeitlicher Tätig-
keiten, aber die in ihrer Ausübung vorgenommenen Rechtsakte und
Beurkundungen äußern kraft der reichsgesetzlichen Vorschriften nur
innerhalb des Reichsgebietes rechtliche Wirksamkeit. Sollen sie auch
in dem auswärtigen Staate rechtliche Geltung erlangen, so ist eine
ausdrückliche Anerkennung der betreffenden Befugnisse durch letz-
teren erforderlich. Die Reichsgesandten üben also diese obrigkeit-
lichen Funktionen entweder nur innerhalb des Herrschaftsbereiches
des Reiches oder kraft der Ermächtigung durch den fremden Staat
aus. Die Funktionen der gedachten Art sind:
a) die Legalisation solcher Urkunden, die von einer
ausländischen öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem
Glauben versehenen Person des Auslandes ausgestellt oder auf-
genommen sind’; ”
b) die Vornahme von Zustellungen im Auslande bei Zivil-
prozeßsachen, die innerhalb des Reiches anhängig sind;
c) die Erteilung von Pässen an Reichsangehörige zum Ein-
tritt in das Reichsgebiet?;
d) die Vornahme von Eheschließungen und die Beur-
kundung des Personenstandes bei Reichsangehörigen im
Ausland”.
° Die Behauptung von Zorn, Annalen 1882 S. 85, Staater. 2, 413, daß
der Gesandte in den fremden Staat geschickt werde, um obrigkeitlich tätig zu
sein, beruht auf der irrtümlichen Auffassung, daß jede amtliche Tätigkeit auch
eine obrigkeitliche sei. Vgl. dagegen auch Laband 8, 63.
6 I nbestritten. — Vgl. v. Liszt, Völkerrecht $ 14. Ver)
'2P.O. 8 438. R.G., betr. die Beglaubigung öffentlicher Urkunden,
vom 1. Mai 1878 $ 2.
® 2.P.O. $ 199.
® R.G. über das Paßwesen vom 12. Oktbr. 1867 8 6.
10 R.G. betr. die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes
von Bundesanpehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 [abg. durch E.G. 2.
B.G.B. Art. 40.) R.G. über die Beurkundung des Personenstandes und die