494 Viertes Buch. Zweiter Abschnitt. $ 178.
Die Einheitlichkeit des Heeres bildet das Grundprinzip des
deutschen Militärrechtes.. Die Kontingente sind ledig ich die Alı-
teilungen, in die das einheitliche Reichsheer gegliedert ist. Die
Kontingentsverfassung hat demnach nur die Bedeutung eines unter-
‘geordneten Momentes, das mehr auf historischen Verhältnissen als
auf prinzipiellen Gesichtspunkten beruht?. Subjekt der Militär-
boheit ist das Reich. An der Ausübung sind die Einzelstaaten
allerdings beteiligt, aber sie besitzen nur die Rechte, die ihnen durch
Armeekorps und eine Reserveinfanteriedivision gliederten. Die Kriegsverfassung
des Bundes und die Größe der Kontingente war durch eine Reihe von Bundes-
beschlüssen geregelt. Die Truppen der Einzelstaaten unterlagen einer periodi-
schen Inspektion durch den Bund. Der Bund hatte eine Reihe von Bundes-
festungen, in denen er das Besatzungsrecht durch Truppen der Einzelstaaten
ausübte. Diese Festungen waren Mainz, Luxemburg und Landau, zu denen
später noch Rastatt und Ulm hinzukamen.
Durch die Gründung des Norddeutschen Bundes wurde zunächst die
gesamte Kriegsmacht der norddeutschen Staaten zu einem einheitlichen Heer®
zusammengefaßt. Die Organisation dieses Heeres erfolgte im engsten Anschlu
an die bisherigen preußischen Einrichtungen. Es wurde nicht nur die allge-
meine Wehrpflicht in ganz Norddeutschland eingeführt; auch die Formation
der Truppen, Ausrüstung und Bekleidung richtete sich durchaus nach preußi-
schem Muster. Die süddeutschen Staaten nahmen in der Zeit nach Gründun
des Norddeutschen Bundes gleichfalls die allgemeine Wehrpflicht an un
reorganisierten ihre Armeen im wesentlichen nach preußischem Vorbilde. Durch
eine Vereinbarung der süddeutschen Staaten untereinander und einen weiteren
Vertrag derselben mit dem Norddeutschen Bunde wurde bestimmt, daß das
Material der früheren Bundesfestungen Mainz, Ulm, Rastatt und Landau un-
geteilt gelassen und im Interesse des gemeinsamen deutschen Verteidigungs-
systems verwaltet werden sollte: in Mainz durch den Norddeutschen Bund, ın
en übrigen Festungen durch die betreffenden Landesregierungen. Die oß-
herzoglich hessischen Truppen traten als geschlossene Division in den Ver and
des norddeutschen Bundesheeres ein.
Mit der Gründung des Deutschen Reiches wurden die sämtlichen
Kontingente der süddeutschen Staaten in den Verband des norddeutschen Heeres
aufgenommen. Nur Bayern behielt eine abgeschlossene Organisation und eine
weitgehende Selbständigkeit in militärischen Angelegenheiten.
® Daß die deutsche Kontingentsverfassung durch historische Verhältnisse
bedingt ist, führt auch Laband 4, 2; R.St.R.° $ 40 aus. Im übrigen aber ist
seine Auffassung über die Grundlagen der deutschen Heeresverfassung der hier
vertretenen direkt entgegengesetzt. Nach seiner Meinung gibt es kein Heer
des Reiches, sondern nur Kontingente der Einzelstaaten; die Einheitlichkeit
der Armee besteht lediglich im technisch-militärischen Sinne, juristisch ist der
Ausdruck Reichsarmee nur eine Kollektivbezeichnung für die Kontingente der
Einzelstaaten. Ebenso oder ähnlich unter anderem Seydel, Loening, An
schütz. (Nähere Angaben bei Meyer-Anschütz $ 196') Diese Be-
hauptungen stehen jedoch mit den Bestimmungen der Reichsverfassung nicht
im Eink ang: Letztere stellt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Reichsarme®
mit großer Entschiedenheit an die Spitze ihrer Vorschriften über das Heorwesen
(Art. 68), Dieser Grundsatz äußert auch seine Rechtswirkungen keinesweg®
bloß in militärisch-technischer Beziehung, z. B. in den fortlaufenden Numme
der Regimenter, der Gleichbeit der Ausrüstung und Bekleidung, sondern, hat
schr wesentliche juristische Konsequenzen, weiche namentlich in dem Militär-
gesetzgebungsrecht des Reiches, dem kaiserlichen Oberbefehl und den zahl-
reichen Militärverwaltungsbefugnissen des Kaisers zum Ausdruck gelangen-
Gegen Laband vgl. G. Meyer, Annalen 1880 $. 337 und mit ihm übereiD-
stimmend Zorn, Haenel, Arndt, Gierke u. a. (Nähere Angaben bei
Meyer-Anschäütz $ 1961 und Laband, RSt.R.5 $ 40 S. 3391.)