Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

Il. Verwaltungsgerichtsbarkeit. $ 9. 39 
auf die dabei auftretenden Rechtsfragen. Auch der Schutz des indi- 
viduellen Rechtskreises war lediglich dem pflichtmäßigen Verhalten 
der Verwaltungsorgane anvertraut. Nur in sehr schwachen Ansätzen 
machte sich der Versuch; eine Verwaltungsjurisdiktion herzustellen 
bemerkbar. In einigen Mittelstaaten wurden für solche Verwaltungs- 
angelegenheiten, bei denen mehrere Privatpersonen oder Korporationen 
einschließlich der Gemeinden, als Beteiligte einander gegenüber standen, 
esondere Entscheidungsorgane eingesetzt oder wenigstens besondere 
Yorschriften über das Verfahren gegeben®. Diese Streitigkeiten um- 
ten jedoch nicht bloß Angelegenheiten verwaltungsrechtlicher, 
sondern meist auch Angelegenheiten privatrechtlicher Natur. ‚Weiter 
als die Gesetzgebungen der übrigen Staaten ging die des Königreichs 
Württemberg. Nach dieser hatte der. Geheime Rat unter Zuziehung 
der Vorstände des Obertribunals Rekurse gegen die Verfügungen 
er Departementsminister zu entscheiden ', eine Bestimmung, welche 
die Praxis auf solche Fälle beschränkte ,‚ wo jemand sich in seinen 
echten verletzt glaubte. Andere Staaten suchten die Aufrecht- 
erhaltung der der Verwaltung gezogenen rechtlichen Schranken dadurch 
zu sichern, daß sie in gewissen Fällen gegenüber den Verfügungen 
der Verwaltungsbehörden die Beschreitung des Rechtsweges zuließen. 
ies war namentlich in Preußen in einem verhältnismäßig weiten 
Umfange der Fall®. Am weitesten ging jedoch in dieser Beziehung 
  
* In Württemberg wurden die betreffenden Angelegenheiten als Ver- 
waltungsjustizsachen bezeichnet; die Entscheidung derselben erfolgte 
durch die Verwaltungsbehörden, aber in einem besonderen Verfahren (G. betr. 
die Rechtsmittel in Verwaltungsjustizsachen, vom 13. November 1855). , Im 
Großherzogtum Hessen bestand für die Entscheidun der sog. streitigen 
Administrativeachen und Administrativjustizsachen ein Administrativjustizhof 
‘d., die Organisation der dem Ministerium des Innern untergeordneten Re- 
&7erungsbehörden betr, vom 6. Juni 1832 Art. 31 ff.; Bekanntmachung vom 
7. April 1853), Bis zum heutigen Tage besteht dieser Rechtszustand inSachsen. 
16 80g. streitigen Verwaltungssachen werden dort in erster Instanz teils von 
den Amtshauptmannschaften, teils von den Kreishauptmannschaften entschieden, 
in der Rekursinstanz von einem Kollegium, das aus dem Vorstand des betreffenden 
Ministeriums, zwei bei demselben angestellten Räten und zwei Räten der oberen 
Justizstellen, welche für diese Sachen fortdauernd deputiert sind, sich zusammen- 
setzt (G., das Verfahren in Administrativjustizsachen betr, vom 30. Januar 1835; 
G., die Verminderung der Instanzen in Administrativjustizsachen betr., vom 
5. Januar 1870; G., betr. die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung; 
vom 21. April 1873, 88 6, 29, 51) 
? Württ. Verf. $ 80, Nr. 1. . 
* In Preußen bestimmte die V. wegen verbesserter Binriehtung der 
Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808, $ 36 ft., daß 
über wirkliche Majestäts- und Hoheitsrechte, über allgemeine in Gegenständen 
der Regierungsgewalt ergangene Verordnungen und über die Verbindlichkeit 
zur Entrichtung allgemeiner Anlagen und Abgaben kein Prozeß zugelassen 
werde. Dagegen sollte in bezug auf polizeiliche Verfügungen der Regierungen 
der Weg Rechtens unbedingt offen stehen, sobald entweder die Verfügung einer 
ausdrücklichen Disposition der Gesetze entgegenlief oder die 
Auge auf einen speziellen Rechtstitel gegründet wurde. Das G. über 
die Zulässigkeit des Rechtsweges in bezug auf polizeiliche Verfügungen vom 
11. Mai 1842 bestimmte dagegen, daß Beschwerden über polizeiliche Verfügungen 
Jeder Art vor die vorgesetzte Dienstbehörde gehörten. Eine Beschreitung des 
Rechtsweges wurde nur zugelassen: 1. wenn jemand die Befreiung von einer 
V erpflichtung auf Grund einer besonderen gesetzlichen Vorschrift oder
	        
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