II. Aktiver Militärdienst. $ 191. 541
. Die Rechtsverhältnisse der Personen des Soldatenstandes zerfallen
in dienstliche, die unmittelbar den Militärdienst selbst zum Gegen-
stande haben, und bürgerliche, die durch das Militärdienst-
verhältnis nur mittelbar berührt werden.
&) Dienstverhältnisse der aktiven Militärpersonen des Soldatenstandes
in allgemeinen.
$ 191.
Dienstverhältnisse heißen die Rechtsverhältnisse der Per-
sonen des Soldatenstandes, die unmittelbar den Militärdienst zum
Gegenstande haben. Das Dienstverhältnis der Personen des Soldaten-
standes äußert ähnliche Rechtswirkungen wie das Dienstverhältnis
der Beamten. Diese Rechtswirkungen sind im wesentlichen gleich-
artig für Personen, welche den Militärdienst freiwillig und solche,
die ihn in Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht leisten. Auch die
Rechtsverhältnisse der verschiedenen Rangklassen — Offiziere, Unter-
offiziere, Gemeine — sind in ihren Grundzügen gleich gestaltet und
weisen nur in einzelnen Punkten Verschiedenheiten auf.
Der Militärdienst begründet in erster Linie Pflichten für den,
der ihn leistet. Die Verletzung dieser Pflichten ist mit Strafe bedroht.
ie Strafbestimmungen sind im Militärstrafgesetzbuch " und in der
Disziplinarstrafordnung® enthalten. Die Vorschriften beider Gesetze
Charakterisieren sich als ein Spezialstrafrecht für Militärpersonen®.,
Das Militärstrafgesetzbuch enthält die Strafbestimmungen für schwerere,
die Disziplinarstrafordnung die für leichtere militärische Vergehen.
rstere lassen sich den im Strafgesetzbuche enthaltenen Vorschriften
über Amtsverbrechen, letztere denen über Dienstvergehen der
Beamten vergleichen. Die Bestrafung der im Militärstrafgesetzbuch
erwähnten Verbrechen muß im Wege des militärstrafgerichtlichen
erfahrens stattfinden, während die Übertretungen der Disziplinar-
Ordnung disziplinarisch, d. h. durch Verfügungen der militärischen
Vorgesetzten geahndet werden. Die gegen Personen des Soldaten-
standes zulässigen Strafen sind Todesstrafe, Freiheitsstrafen, Ehren-
! Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872, in
Elsaß-Lothringen eingeführt durch G. vom 8. Juli 1872. Einen Bestandteil des
Militärstrafgesetzbuches bilden die Kriegsgesetze, d. h. die besonderen Straf-
vorschriften für strafbare Handlungen im Felde. Sie haben den Zweck,
Handlungen im Felde überhaupt unter Strafe zu stellen und für Handlungen
im Felde ein erhöhtes Strafmaß festzusetzen (M.Str.G.R. $ 9). Vgl. Hecker,
Art. Kriegsartikel, V.R.W. 1, 871. . rn
2 Die Befugnis, Vorschriften über die Handhabung der Disziplin im
Heere zu erlassen, steht nach dem R.M.G. 3 8 dem Kaiser zu. Zurzeit befindet
sich die Disziplinarstrafordnung vom 31. Okt. 1872 für das Heer (A.V.Bl. S. 330),
die in Bayern und Württemberg durch besondere Verordnungen eingeführt ist,
und die isziplinaretrafordnung, vom 1. Nov. 1902 für die Marine in Geltung.
. Laband R.St.R. $ 14 S. 101: Die meisten Schriftsteller behandeln das
Disziplinarrecht als ein Spezialstrafrecht für Beamte; allein Strafrecht und
isziplinarrecht sind voneinander wesentlich verschieden. Die
Ansicht von Laband vertreten u. a. Binding, v. Liszt, Hecker, Rehm,
Jellinek, System? 2141 mit dem Bemerken: Die an der alten Theorie Fest-
altenden vermögen eine ganze Reihe von Erscheinungen des Disziplinar-
Strafrechts nicht zu erklären, die namentlich Laband 1, 453 hervorgehoben hat.