Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

573 Viertes Buch. Dritter Abschnitt. $ 201. 
willigen, die vor Beendigung ihrer aktiven Dienstzeit ein Quali- 
fikationsattest zum Reserveoffizier sich erworben und nach beendeter 
Dienstzeit ihre Befähigung durch zwei achtwöchentliche Übungen 
dargelegt haben, und aus Mannschaften, die sich vor dem Feinde 
auszeichneten. Für die beiden letzten Klassen ist eine Wahl durch 
das Offizierkorps erforderlich. Diese Wahl wird, wenn der Be- 
treffende zum aktiven Dienst einberufen ist, von dem Offizierkorps 
des Landwehrbezirks vorgenommen. Die Ernennung erfolgt durch 
den Kontingentsherren in denselben Formen, wie die der aktiven 
Offiziere. Eine Verpflichtung zur Annahme einer derartigen 
Offiziersstelle ist nicht vorhanden. Der Dienst der Reserve-, Land- 
wehr- und Seewehroffiziere hat daher, insoweit er Offiziersdienst ist, 
den Charakter einer freiwilligen Leistung. Der Dienst überhaupt 
wird kraft der gesetzlichen Wehrpflicht geleistet und letztere muß 
daher auch bei den Offizieren des Beurlaubtenstandes als die wesent- 
liche Grundlage des Verhältnisses betrachtet werden !”, 
Die Rechtsverhältnisse der Angehörigen der Reserve, Landwehr 
und Seewehr sind ferner wesentlich verschieden in der Zeit, in der 
die betreffenden Personen zum aktiven Dienst einberufen 
sind, und in der Zeit, in der dies nicht der Fall ist. 
1. Die Einberufung zum aktiven Dienst erfolgt zu Übungen 
oder zum Zweck von Mobilmachungen, bzw. Verstärkungen des 
Heeres und Ausrüstungen der Flotte!®. Die Einberufungen geschehen 
auf Befehl des Kaisers, in Bayern auf Befehl des Königs von Bayern; 
diese Anordnungen sind Ausfluß des Oberbefehls und bedürfen keiner 
Kontrasignatur. Durch die kommandierenden Generale erfolgt die 
Einberufung nur zu den jährlichen Übungen, und wenn Teile des 
Bundesgebietes in Kriegszustand erklärt sind!. Der Ungehorsam 
gegen eine solche Einberufungsordre wird nach dem Militärstrafgesetz- 
buch bestraft und kann Verlängerung der Dienstzeit, bzw. Zurück- 
versetzung in eine jüngere Jahresklasse zur Folge haben°®. 
Die Pflicht zur Teilnahme an militärischen Übungen während 
der Dauer der Reserve-, Land- und Seewehrpflicht ist gesetzlich 
geregelt. Die Reservisten sind während der Dauer des Reserve- 
verhältnisses zu zwei Übungen verpflichtet, welche die Dauer von 
je acht Wochen nicht überschreiten dürfen ®!. Die Offiziere der 
Reserve können jedoch dreimal zu vier- bis achtwöchentlichen 
Übungen herangezogen werden. Die Übungen der Reservisten 
erfolgen in den betreffenden Truppenteilen. Die Mannschaften 
der Landwehr ersten Aufgebots können während der Dienst- 
1° H.O. 88 19, 45—48. M.O. $$ 56—59. 
17 Yet. Laband 4, 175; Otto Mayer 2, 2148, 
1 W.G.8$ 6. 
» WG. 8. 
20 M.Str.G@.B. $ 113. R.M.G. 8 67. 
sı W.G.8 6. W.O. $ 116. Die Zurückbehaltung von Mannschaften der 
Fußtruppen nach beendeter zweijähriger Dienstzeit, die mit Rücksicht auf not- 
wendige Verstärkungen des Heeres erfolgt, zählt für eine Übung (R.G., beit 
die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres, vom 9. Aug. 1893, Art. IL$D. 
» W.G. $ 12. R.Kontr.G. 85. W.O.$ 116.
	        
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