I. Gebühren und Beiträge. $ 222. 641
Bayern und Württemberg zahlen dafür entsprechend höhere Matrikular-
beiträge. Der Anspruch Bayerns und Württembergs auf den Bezug
der in ihren Gebieten zur Hebung gelangenden Post- und Teelegraphen-
gebühren hat den Charakter eines Sonderrechtes und steht unter dem
Schutze des Absatz 2 Art. 78 der Reichsverfassung.
II. Der Staat erhebt ebenfalls Gebühren für die Ausübung
obrigkeitlicher Befugnisse der staatlichen Organe und für
die Benutzung staatlicher Anstalten.
Die Gebühren für die Ausübung obrigkeitlicher Befug-
nisse der Staatsorgane sind staatsrechtlicher Natur. Die Ver-
pflichtung zu ihrer Leistung beruht nicht auf einem Vertragsverhältnis,
in dem sich der Einzelne zum Staate befindet, sondern auf ein-
seitigen staatlichen Anordnungen (Gesetzen, Verordnungen, Ver-
waltungsverfügungen). Man unterscheidet Gebühren für Akte der
Justiz und für Akte der Verwaltung.
Die Höhe der Gebühren für Akte der Zivil- und Strafjustiz
ist reichsgesetzlich® geregelt, die Vorschriften über die Gebühren
für Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit beruhen
auf landesgesetzlicher Feststellung. Unter letzteren befinden sich
jedoch viele Abgaben, die nur formell als Gebühren erscheinen,
materiell dagegen den Charakter von Verkehrssteuern haben, so
namentlich die Abgaben, die bei der Übertragung von Grundeigentum
zu zahlen sind.
Die Gebühren für Verwaltungshandlungen sind Gebühren
für die Ausübung polizeilicher Befugnisse, z. B. Konzessionserteilungen,
Gebühren für die Vornahme von rechtsbegründenden Verwaltungs-
akten, z. B. Eheschließungen, Verleihung der Staatsangehörigkeit,
Erteilung des Bergbaurechtes, Gebühren für Beurkundungen, z. B
Ausstellung von Pässen und Legitimationsscheinen. Die Vorschriften
über diese Gebühren sind in einer Menge von Spezialgesetzen zer-
streut; sie beruhen auf reichs- und landesgesetzlichen Feststellungen.
Die Erhebung der vorgedachten Gebühren erfolgt in der Form
des Stempels oder durch direkte Einziehung durch die betreffenden
Behörden.
Die Gebühren für die Benutzung staatlicher Anstalten’?
sind teils öffentlich rechtlicher, teils privatrechtlicher Natur.
Einen privatrechtlichen Charakter haben sie, wenn die Be-
nutzung der Anstalt, wie dies z. B. bei den Staatseisenbahnen der
Fall ist, auf einem privatrechtlichen Vertrage zwischen dem Fiskus
und dem Einzelnen beruht. Hier bildet, wenn auch die Höhe der
Gebühren durch Gesetz festgestellt ist, der Vertrag zwischen Staat
und Einzelnem doch den unmittelbaren und nächstliegenden Grund
der Verbindlichkeit. Öffentlich rechtlicher Natur sind sie
dagegen, wenn zur Benutzung der Anstalt der Abschluß eines
6 R.Gerichtskostengesetz vom 18. Juni 1878.
7 Vgl. Otto Mayer 2, 383: Die Gegenrechte der Anstalt, die
den Rechten der Benutzenden entsprechen, stellen sich dar in Benutzungs-
zwang, Anstaltsgewalt und Gebühr.
Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht. 3. Aull. 41