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gesetzgeberische Kompetenz des Reiches fallen. So weit durch die
Bestimmungen dieser Art Sonderrechte der Einzelstaaten im Sinne
des Art. 78 Abs. 2 der Reichsverfassung begründet werden, ist zu
deren Abänderung die Zustimmung des beteiligten Bundesstaates
erforderlich. Die übrigen Festsetzungen der Verträge haben zum
TeilGesetzes-, zum Teil Verordnungskraft. Die Ausscheidung
dieser beiden Klassen von Vorschriften ist, so weit die Verträge
vom 16. Mai 1865 und 8. Juli 1867 in Betracht kommen, nach einem
formellen Kriterium möglich, indem die Bestimmungen, die in den
Verträgen selbst enthalten sind, den Charakter von Gesetzesvorschriften,
die, welche sich in den Schlußprotokollen finden, den von Ver-
ordnungen besitzen. Für die älteren Verträge, von denen übrigens
nur sehr vereinzelte Bestimmungen noch in praktischer Wirksamkeit
sich befinden, fehlt es an einem derartigen äußerlichen Anhalt; die Frage,
ob eine ihrer Vorschriften Verordnungs- oder Gesetzeskraft hat, kann
daher nur nach Maßgabe ihres materiellen Inhaltes entschieden werden ®.
3. Die Zollgesetze. Seit Gründung des Reiches erfolgt der
Erlaß der auf das Zollwesen bezüglichen Vorschriften im Were
der Reichsgesetzgebung?. Zurzeit befinden sich folgende Zoll-
gesetze in Geltung:
a) das Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869!°, in Elsaß-Lothringen
eingeführt durch Gesetz vom 17. Juli 1871.
8 Vgl, Laband 4, 391.
° Schon in der ältesten Periode des Zollvereins hatten die beteiligten
Staaten gemeinschaftliche Bestimmungen über die Verwaltung des Zollwesens
festgestellt, die in dem Zollgesetz, der Zollordnung, dem Zolltarif und den
Grundsätzen, das Zollstrafgesetz betreffend, enthalten waren. Diese Be-
stimmungen hatten innerhalb der einzelnen Staaten den Charakter von Ge-
setzen. Im Verhältnis der Staaten zu einander beruhte dagegen die Ver-
bindlichkeit zu ihrer Aufrechterhaltung auf völkerrechtlichen Ver-
trägen; eine Abänderung war also nur mit Zustimmung aller beteiligten
Staaten möglich. Durch die Reorganisation des Zollvereins im Jahre 1867
wurde eine gemeinsame Gesetzgebung eingeführt; die Feststellung
der Gesetze erfolgte nunmehr durch Beschlüsse des Zollbundesrates und des
Zollparlamentes, die Verkündigung geschah in den einzelnen Staaten nach
Maßgabe der daselbst geltenden Formen, also im Norddeutschen Bunde durch
das Bundesgesetzblatt in den süddeutschen Staaten durch die betreffenden
Landesgesetzblätter. Die Gesetze hatten daher im Norddeutschen Bunde den
Charakter von Bundesgesetzen, in den süddeutschen Staaten den von
Landesgesetzen. Die Verpflichtung zu ihrer Einführung beruhte nun
aber nicht mehr auf völkerrechtlichen Vereinbarungen, sondern auf Befehlen
einer über den einzelnen Gliedern stehenden höheren Gewalt. — Die
Gesetze aus der älteren Zeit des Zollvereins sind nach der im Jahre 1867 er-
folgten Reorganisation sämtlich durch andere Gesetze ersetzt worden.
1° Das Vereinszollgesetz ist zwar für die süddeutschen Staaten als
Iandengesetz eingeführt worden, trotzdem kann seine Abänderung nur im
Wege der ‚Reichsgesetzgebung erfolgen, da den Einzelstaaten die Gesetzgebungs-
befugnis in Zollsachen völlig entzogen ist. Im Norddeutschen Bunde und
Elsaß-Lothringen hat es die Geltung eines Reichsgesetzes; es unterliegt daher
keinem Bedenken, Gesetzesvorschriften, in denen Reichsgesetze erwähnt
werden, insbesondere die Bestimmungen in $ 5 des E.G. zur R.Str.Pr.O. auch
auf das Vereinszollgesetz zu beziehen. — Vgl. hierzu Laband 4, 405: „In
der ‚urer s wird das Vereinszollgesetz ohne Bedenken als Reichsgesetz be-
andelt.
ıı Laband: Das Vereinszollgesetz ist eine umfassende Kodifikation
des Zollverwaltungsrechts und des Zollstrafrechts.