Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

712 Fünftes Buch. $ 258. 
sind die Staatsschulden, welche den Zweck haben, dem Staate außer- 
ordentliche Einnahmen zuzuführen und durch eine besondere finanzielle 
Operation, d. h. durch Aufnahme einer Anleihe eingegangen werden. 
Das Recht zur Kontrahierung von Finanzschulden steht nur dem 
Zentralorgan der staatlichen Finanzverwaltung zu; im konstitutionellen 
Staat ist dazu die Genehmigung der Volksvertretung erforderlich. 
Der Staat kann endlich Schuldverbindlichkeiten durch Übernahme 
von Garantien eingehen. Diese kommen namentlich bei Verkehrs- 
unternehmungen, insbesondere bei Eisenbahnen und Dampfschiffen 
vor®. Sie enthalten entweder die Übernahme des wirtschaftlichen 
Risikos für ein bestimmtes Unternehmen gegenüber dem Unternehmer 
oder die Haftung für wirtschaftliche Verpflichtungen eines bestinnmten 
Rechtssubjektes gegenüber anderen Personen. Erstere, namentlich 
die Zinsen- und Dividendengarantien gegenüber Aktiengesellschaften, 
charakterisieren sich als Rechtsgeschäfte eigentümlicher Art, die sich 
den sonstigen privatrechtlichen Vertragskategorien nicht unterordnen 
lassen (Garantieverträge); letztere, insbesondere die Garantien für 
Anleihen anderer Rechtssubjekte, namentlich für die Prioritäts- 
obligationen der Aktiengesellschaften fallen unter den Begriff der 
Bürgschaft. 
Die Verwaltungsschulden beruhen entweder auf privat- 
rechtlichen Verträgen, z. B. Kauf- und Mietverträgen, für welche 
die Grundsätze des Privatrechtes maßgebend sind. Oder sie werden 
durch Akte der staatlichen Organe begründet, die sich als Ausübung 
spezifisch staatlicher T'ätigkeiten charakterisieren, z. B. durch Ent- 
eignungen, durch Annahme gerichtlicher Depositen. Verbindlich- 
keiten dieser Art regeln sich nach den verwaltungsrechtlichen Vor- 
schriften, die für die betreffenden Verwaltungszweige erlassen sind. 
Für die Finanzschulden bestehen dagegen spezielle rechtliche 
Grundsätze, die ein Bestandteil des Finanzverwaltungsrechtes sind *. 
U. Die Aufnahme einer Staatsanleihe darf nur auf 
Grund einer Genehmigung durch die gesetzgebenden Organe 
des Staates, erfolgen. Der Beschluß über die Aufnahme einer An- 
leihe bewegt sich daher in den Formen der Gesetzgebung. 
Materiell hat er dagegen den Charakter eines Verwaltungs- 
aktes. Die Aufnahme selbst geschieht auf Grund der erteilten 
Ermächtigung durch die Organe der Finanzverwaltung (Finanz- 
ministerium). Diese können zum Zweck der Realisierung der An- 
  
®? Mit der Verstaatlichung des Eisenbahnwesens haben, die Garantien in 
Deutschland an praktischer Bedeutung verloren. Zu ibrer Übernahme bedarf 
es der Genchmigun der Volksvertretung. 
‚* Nach Abschluß der Territorialveränderungen im Jahre 1815 haben 
sämtliche deutsche Staaten eine Neuordnung ihres Schuldenwesens unter- 
nommen, um die auf den verschiedenen Landesteilen lastenden Verbindlich- 
keiten zu einer einheitlichen Staatsschuld zusammenzufassen. Durch die Ver- 
fassungen wurde den Landtagen ein Mitwirkungsrecht auf dem Gebiete des 
Staatsschuldenwesens eingeräumt und der Grundsatz aufgestellt, daß die Auf- 
nahme einer Anleihe nur mit Genehmigung des Landtages stattfinden dürfe. 
(Vgl. Meyer-Anschütz $ 205'2,) Die Landtage wurden außerdem in um- 
fassender Weise bei der Kontrolle der Staatsschulden beteiligt und erhielten 
in einzelnen Staaten sogar einen Anteil an deren Verwaltung. 
 
	        
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