Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

II. Verwaltungsgerichtsbarkeit. $ 16. 63 
wo eine öffentliche Behörde in dem Verfahren auftritt, zunächst dieser 
ob. Es kann aber zu diesem Zweck auch ein besonderer Kommissar 
bestellt werden®. Das Bedürfnis zu einer derartigen Bestellung wird 
namentlich da hervortreten, wo als Parteien nur individuell be- 
rechtigte Subjekte erscheinen, welche lediglich ihre speziellen Rechte 
und Interessen verfolgen. Doch beschränkt sich die Zulässigkeit 
dieser Bestellung nicht bloß auf diesen Fall, sondern besteht auch 
da, wo eine öffentliche Behörde als Partei fungiert. In Bayern ist 
für die Vertretung der öffentlichen Interessen beim Verwaltungs- 
gerichtshofe ein Staatsanwalt mit dem erforderlichen Hilfspersonal 
angestellt worden ®. 
Die Grundsätze des Verfahrens sind im wesentlichen 
nach Analogie der zivilprozessualischen Vorschriften geregelt!°. Sie 
haben jedoch einzelne Modifikationen erfahren, die namentlich da- 
durch bedingt sind, daß bei verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten stets 
auch ein öffentliches Interesse in Frage steht". . 
Von den Grundprinzipien des Verfahrens, die im Zivil- 
prozeß anerkannt sind, hat ein Teil auch für das verwaltungs- 
gerichtliche Verfahren Geltung erlangt. Es gilt der Grundsatz des 
wechselseitigen Gehörs; derselbe bat jedoch, der Natur der 
Verwaltungsstreitigkeiten gemäß, insofern eine Erweiterung erfahren, 
ale vor der Entscheidung nicht bloß die Parteien, sondern auch 
die Vertreter des öffentlichen Interesses gehört werden müssen '%. 
Anerkannt sind ferner die Prinzipien der Öffentlichkeit’? und 
Mündlichkeit!* mit einzelnen gesetzlich näher bestimmten Aus- 
nahmen. Dagegen findet die Verhandlungsmaxime des Zivil- 
prozesses auf Verwaltungsstreitigkeiten keine Anwendung. Das ver- 
waltungsgerichtliche Verfahren beruht vielmehr auf einer Mischung 
von Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime!’. Erstere 
besteht insoweit, als der Richter nur auf Antrag einer Partei in 
Tätigkeit treten kann und hinsichtlich seiner Entscheidungen an die 
Anträge der Parteien gebunden ist!., Doch findet auch in dieser 
® Bayr. G. Art. 10, 45. Wöürtt. G. Art. 24, 59, 61. 
? Preuß. L.V.G. $ 73. Bayr. G. Art. 19. Württ. G. Art. 19. Bad. 
Verw.Ger.G. & 12. 
® Preuß. L.V.G. 8 74. [Sächs. G. $ 12] Württ. G. Art. 20, 67. Bad. 
Verw.Ger.G. $ 8. Hess. G. Art. 7. 
® Bayr. G. Art. 4, 42 [mit dem Titel Generalstaatsanwalt). 
1° (Vgl. Schultzenstein, Die neuen deutschen Prozeßgesetze und das 
preußische Verwaltungsgerichtsverfal Verw.Arch. 7, 263.] 
1 [Vgl. Friedrichs,%Verw.Arch. 6, 410.] . 
!? Preuß. L.V.G. sy7. 74, 80. Bayr. G. Art. 36, 42. [Säche. G. $ 12.) 
Württ. G. Art. 18, 20. Bad. Verw.Ger.G. 88 5, 8. . 
1» Preuß. L.V.G. $ 72. Bayr. G. Art. 28, 34, 41. [Säche. &. $ 26.) Württ. G. 
Art. 21. Bad. Verw.Ger.G. $ 8. Hess. G. Art. 7. 
“4 Preuß, L.V.G. 2 71, 80. Bayr. G. Art. 27, 32, 38, 41. [Sächs. G. 8 26.] 
Württ. &. Art. 21, 24, 57. Bad. Verw.@er.G. $ 6. Hess. G. Art. 7. 
18 Eceius, Die Parteien im Verwaltungsstreitverfahren des preuß. Rechtes. 
Hartmanns Zeitschr. 3, 283. 
18 Preuß. L.V.G. $8 63, 71. Württ. @. Art. 17. Bad. Verw.Ger.G. $ 5.
	        
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