Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

Verwaltung der inneren Angelegenheiten. $ 19. 79 
Förderung der Bildung und Wirtschaft bleibt ihm fremd; ein Teil 
dieser Fürsorge liegt in den Händen anderweiter korporativer Ver- 
bände, der Kirche, Zünfte, Markgenossenschaften usw. Gegen Ende 
des Mittelalters erweitert sich zuerst in den Städten der Kreis der 
‘obrigkeitlichen Tätigkeit. Den Städten folgen die Landesherren 
nach. Seit dem 16. Jahrhundert gewinnt die fürsorgende Tätigkeit 
des Staates eine immer größere Bedeutung. Das Reich sucht in den 
Reichspolizeiordnungen allgemeine Grundsätze dafür aufzustellen. Die 
tatsächliche Handhabung liegt jedoch in den Händen der Territorial- 
gewalten. Letztere entwickeln namentlich seit dem dreißigjährigen 
Kriege eine energische Wirksamkeit, um den gesunkenen Volkswohl- 
stand wieder zu heben. Es macht sich eine bevormundende Tätig- 
keit der Obrigkeit geltend, die im Interesse des Gemeinwohls in 
alle möglichen Privatverhältnisse der Untertanen eindringt. Erst im 
19. Jahrhundert sind mit und nach Einführung der konstitutionellen 
Verfassungen dieser Verwaltungsfunktion rechtliche Schranken ge- 
zogen worden. 
Die innere Verwaltung wurde in älterer Zeit als Polizei be- 
zeichnet. Polizei® (moArreia) bedeutete ursprünglich die Gesamt- 
heit der staatlichen Angelegenheiten (res politicae) im Gegensatz zu 
Jen kirchlichen (res ecclesiasticae). Indem man allmählich die aus- 
wärtigen Angelegenheiten (die sog. Politik), ferner die Justiz-, Militär- 
und Finanzsachen von der Polizei absonderte, blieb der Ausdruck 
noch für die gesamte innere Verwaltung bestehen. In diesem Sinne 
wird das Wort von den Schriftstellern des achtzehnten und noch 
von vielen Schriftstellern des neunzehnten Jahrhunderts gebraucht. 
Man teilte die Polizei in Sicherheits- und Wohlfahrtspolizei 
ein. Erstere sollte die Aufgabe haben, die Einzelnen gegenüber den 
sie bedrohenden Gefahren zu beschützen, letztere die Aufgabe, An- 
stalten zur positiven Förderung der menschlichen Entwickelung her- 
zustellen. 
‚. Gegenüber diesem umfassenden Begriffe der Polizei hat sich 
Jedoch in Gesetzgebung und Praxis ein engerer entwickelt, der all- 
mählich auch in der Wissenschaft zur Geltung gelangt ist. In 
  
, ® Über den Begriff der „Polizei“ vgl. Funk, Die Auffassung des Begriffs 
Polizei im vorigen (18.) Jahrhundert. Tübg. Zeitschr. 19, 489. L. v. Stein, 
V.R.W. 2, 247; Förstemann, Prinzipien des preußischen Polizeirechtes 1869 
S.1; H.Schuitze, preuß, Staater. $ 215: Loening, Verw,R. $ 2; Art. Polizei 
H.W.B.2 6, 108; v. Seydel, H.P.Oe.28, 11.289; Gerland, Über den Begriff der 
Polizei. Arch. f, öffentl R. 5,1; [Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preußen? 1895 
S. 121; Verw.Arch. 8, 249; Otto Mayer 1, 249: Polizei ist die Staatstätigkeit 
zur Abwehr von Störungen für die gute Ordnung des Gemeinwesens aus dem 
Einzeldasein mit obrigkeitlicher Gewalt. Vgl. Note 18 daselbst; Schanze, 
Polizei, Fischers Zeitschr. 85, 89; Schilling, Beiträge zur Entwickelung des 
Polizeibegrifts nach preuß. Recht. Verw-Arch. 2, 474; Biermann, Privatrecht 
und Polizei in Preußen 1897; Meyer-Anschütz $ 176 .; Thoma, Polizei- 
befehl 1, 1.] 
* v.Mohl, Polizeiwissenschaft 1, $ 1; Zachariae, Deutsch. Stasts- und 
Bundesrecht 2,,$ 179; Zoepfel, Deutsch. Staatsr. 2, $ 459. 
® Rau, Über Begriff und Wesen der Polizei. Tübg. Zeitschr. 9, 605; 
L.v.Stein, V.R.W.2, 247; Bluntschli, Allgemeines Staatsr. S. 273;MedicuB, 
Art. Polizei. Staatswörterbuch 8, 125; E.v. Meier, Enzyklop. 2, 648; H.Schulze, 
preuß. Staatsr. 2, $ 215; Rosin, Polizeiverordnungsrecht? S. 181%; Ulbrich, 
  
 
	        
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