Verwaltung der inneren Angelegenheiten. $ 21. 33
von peinlichem Recht und Polizeistrafrecht alle ‚praktische Bedeutung
verloren!'. Das Reichsstrafgesetzbuch und die Gesetze, welche
als polizeiliche bezeichnet zu werden pflegen, enthalten nebeneinander
Strafbestimmungen für solche Handlungen, die sich als Rechts-
verletzungen charakterisieren, und für solche, die lediglich eine Ge-
fahr für die öffentliche Sicherheit involvieren. Die Aburteilung aller
dieser Vergehen ist Sache der ordentlichen Gerichte. Das den Polizei-
behörden zustehende provisorische Straffestsetzungsrecht ist nicht
von der materiellen Beschaffenheit der verbrecherischen Handlung,
sondern nur von der Höhe der darauf gesetzten Strafe abhängig.
Bei der Aburteilung der sogenannten Polizeivergehen finden demnach
auch alle die Grundsätze Anwendung, die für die Aburteilung von
Verbrechen überhaupt in Betracht kommen. Insbesondere darf auch
bei sogenanntem polizeilichen Unrecht eine Verurteilung des Täters
nur stattfinden, wenn demselben ein Verschulden (Vorsatz oder Fahr-
lässigkeit) zur Last gelegt werden kann!!. — Die Darstellung des
sogenannten Polizeistrafrechtes ist also grundsätzlich nicht Aufgabe
des Verwaltungsrechtes. Aber auf vielen Gebieten des Staatslebens
ergänzen sich die gesetzlichen, mit Strafbestimmungen versehenen
Gebote und Verbote und die polizeilichen Tätigkeiten in der Weise,
daß die Behandlung der einen von der der anderen nicht getrennt
werden kann. Wo dies der Fall ist, wird sich das Verwaltungsrecht
der Verpäichtung nicht entziehen können, auch das für sein eigenes
Verständnis notwendige strafrechtliche Material in seine Darstellung
mit hineinzuziehen.
Polizeiverwaltungsgesetze heißen die Gesetze, welche
den Polizeibehörden die Befugnis zum Erlaß von Geboten und Ver-
boten beilegen. Sie bilden, da sie die Tätigkeit von Verwaltungs-
behörden regeln, einen Bestandteil des Verwaltungsrechtes. Die von
den Polizeibehörden ausgehenden Gebote und Verbote sind aber teils
allgemeiner, teils spezieller Natur. Sie treten daher teils in der
Form von Verordnungen, tefls in der von Verfügungen auf.
PoliZeiverordnungen!? sind allgemeine Anordnungen der
Polizeibehörden, welche den ihrer Herrschaft unterworfenen Personen
unter Androhung von Strafen gewisse Handlungen gebieten oder
unrecht haben sich erklärt: Heffter, Lehrbuch des gemeinen deutschen Straf-
rechtes. $31; Wahlberg, Das Prinzip der Individualisierung in der Strafrechts-
flege, S. 124; v. Bar, Handbuch des deutschen} Strafrechtes. i, 348; Hänel,
Jeutsches Staatsrecht, 1, 467 f.;; — Einen Überblick der verschiedenen An-
sichten gibt v.Lilienthal, Art. Polizeistrafverfahren R.L. 8, 73; Rosin,
V.R.W. 2, 274. — [Otto Mayer 1, 319°.
10 Übereinstimmend: Binding, Handbuch d. Strafr. 1, 512; v. Liszt,
Strafr. $ 25; Rosin, V.R.W. 2, 276,
ıı Binding 8.2.0. 1, 2. Aufl. S. 19; 2, 615; v. Liszt, Deutsches Preß-
recht. S. 68: Geyer, Krit. Vierteljsch. 20, 595; v. Bar a.a. 0. S. 349; Rosin,
V.R.W. 2, 276. — Die Praxis ist allerdings vielfach anders verfahren und hat
’
die Feststellung der Schuld bei sog. Polizeivergehen für gänzlich irrelevant
erklärt. . .
12 Rosin, Art. Polizeiverordnungen V.R.W. 2, 279; Gneist, Art. Polizei-
verordnungen R.L. 8, 85; [Loening, Art. Polizei HWB.? 6, 108]; Rosin, Das
Polizeiverordnungsrecht in Preußen. 2. Aufl. 1895; [Otto Ma yer 1, 273: Die
Polizeiverordnung enthält einen Polizeibefehlsrechtssatz; Thoma, Polizeibefehl
1, 61; Meyer-Anschütz $ 160; Gierke 1, 130.) 6*