Full text: Abriß der Staatsbürgerkunde.

Preuß. Verf. 
Art. 25. 
Art. 22. 
Art. 23. 
Art. 21. 
Art. 20. 
12 Kirche und Schule. 
Die evangelische Kirche, die seit 1817 in Preußen die lutherische und 
die reformierte Kirche in sich vereinigt, untersteht in Preußen unmittelbar dem 
König, in den übrigen Staaten dem Landesherrn, der sie durch den Oberkirchenrat, 
die Konsistorien und Superintendenten verwalten läßt. Die auf den Universi- 
täten vorgebildeten Geistlichen werden meist von den einzelnen Gemeinden selbst 
gewählt und von der Regierung bestätigt. Ihnen liegt nicht allein das Pre- 
digtamt, sondern auch die Vorbildung der Konfirmanden, sowie die allgemeine 
Seelsorge ob. Die Gemeinde wirkt durch Gemeindevorsteher und -vertreter, 
sowie in den Kreis-, Provinzial= und Landessynoden an der Kirchenverwal- 
tung mit. 
Die oberste Leitung der katholischen Kirche erfolgt durch den Papst und 
wird im Reiche von Erzbischöfen und Bischöfen ausgeübt. Unter ihnen stehen 
die Pfarrer und Kapläne, deren Vorbildung und Aufgabe denen der evange- 
lischen Geistlichen entspricht. 
2. Das Schulwesen ist heute in ganz Deutschland in den Grundzügen ein- 
heitlich geregelt. Preußen war einer der ersten Staaten, der den öffentlichen 
Schulzwang einführte (1717). Ganz besondere Sorgfalt wurde bereits 1808 
dem Volksschulwesen zugewandt. Die Kosten desselben hat in erster Linie 
die Gemeinde zu tragen, da der Unterricht unentgeltlich ist. Die anzustellenden 
Lehrer müssen die nötige sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung 
nachweisen und stehen, wie überhaupt alle Unterrichtsanstalten (öffentliche und 
private), unter der Aufsicht des Staates. Wer die Volksschule während der 
gesetzlich vorgeschriebenen Zeit nicht besucht, muß einen anderweitigen Unterricht 
erhalten, der mindestens das Ziel der Volksschulen erreicht. Wie hoch die 
deutsche Volksbildung über allen anderen Staaten steht, zeigt ein Vergleich der 
Analphabeten.7) . 
Im übrigen ist die Wissenschaft und ihre Lehre frei, was am deutlichsten 
in dem Unterricht an den Hochschulen (Universitäten, technische, Handels- 
hochschulen usw.) hervortritt. Der Vorbereitung zum Hochschulstudium dienen 
die höheren Lehranstalten (Gymnasium, Realgymnasium, Oberrealschule), 
die teils staatlich, teils städtisch sind, und in denen der Unterricht von wissen- 
schaftlich gebildeten Lehrkräften (Oberlehrer) erteilt wird. Daneben gibt es 
noch eine Reihe anderer Lehranstalten, unter denen die Fach= und Fortbildungs- 
schulen für den jungen Kaufmann von besonderer Bedeutung sind. Hier wird 
ihm Gelegenheit geboten, die Schulkenntnisse zu erweitern und die für seinen 
Beruf nötigen allgemeinen Fachkenntnisse zu erlangen. Der Zwang zum Be- 
such der Fortbildungsschule ist vielfach bereits durch Landes= und Reichsrecht 
geregelt, teilweise jedoch noch den Gemeinden überlassen. 
3. Sonstige Sorge für Kultur. Zur weiteren Förderung der Kultur 
haben Staat und Gemeinde eine Reihe von wissenschaftlichen Anstalten, Bi- 
bliotheken, Lesehallen und Volksvorträgen eingerichtet. Ebenso dienen Museen 
und Ausstellungen, die vielfach für jedermann frei sind, dem Bildungsbedürf- 
nis. Die Zuschüsse der Städte zu den Theatern verfolgen den gleichen Zweck. 
Die Pflege des Körpers wird durch Spiel und Turnvereine, Wanderherbergen 
usw. unterstützt. 
1) Von 10,000 Rekruten waren des Schreibens unkundig: in Deutschland 2, in 
Schweden 8, in Frankreich (mit Algerien) 470, in Italien 3290, in Rußland 7930. 
  
 
	        
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