Oberste Staatsbehörden. Beamtenrecht. 17
Die Hauptaufgabe des Landtages ist die Beratung von Gesetzentwürfen,
die ihm von der Regierung vorgelegt werden. Die Kammern haben auch selbst
das Recht, Gesetzentwürfe vorzulegen. Die Einnahmen und Ausgaben des Staates
müssen in Form eines Gesetzes (Etatgesetz) von den Kammern genehmigt wer-
den. Ferner können die Kammern von den Ministern Auskunft über Beschwer-
den usw. verlangen (Interpellationen) und selbst Untersuchungskommissionen
einsetzen.
Obgleich die Abgeordneten das Wohl des ganzen Volkes vertreten sollen
und nach freiem Ermessen ihren Willen äußern können, gehören sie doch meist
gewissen Parteien an. Die wichtigsten unter diesen sind: die Konservativen, die
hauptsächlich unter den Landwirten ihre Anhänger besitzen; die Nationalliberalen
und Freifinnigen als Hauptvertreter des Handels und der Industrie; das Zentrum
als Beschützer der katholischen Bevölkerung und die Sozialdemokraten, die für
sich das Recht in Anspruch nehmen, Vertreter der Arbeiterpartei zu sein, die
daneben aber auch die ganze bestehende Gesellschaftsordnung ändern und die
Produktionsmittel vergesellschaften wollen.
Die Abgeordneten können wegen ihrer Abstimmungen und Meinungen nicht
zur Rechenschaft gezogen werden und genießen während der Sitzungsperioden
erhöhten strafrechtlichen Schutz. Für die Dauer der Perioden erhalten sie teil-
weise Tagegelder.
5. Die obersten Staatsbehörden. In den Bundesstaaten steht an der Spitze
der Staatsverwaltung unter dem Monarchen ein Ministerium, das in den grö-
ßeren Staaten in der Regel unter fünf Minister verteilt ist (Finanzen, Justiz,
auswärtige Angelegenheiten, Kriegsangelegenheiten und Inneres). Je kleiner
der Staat ist, desto einfacher und übersichtlicher gestaltet sich seine Verwaltung.
Daher ist in den kleineren Staaten auch die Zahl der Minister geringer, die
Kleinstaaten besitzen nur einen Minister, der die gesamte Staatsverwaltung leitet.
Die Minister werden vom Monarchen berufen und können von ihm jeder-
zeit entlassen werden. Da sie für jede Handlung des Monarchen, die sie mit-
unterzeichnen, sowie für ihre eigenen Handlungen auch den Kammern gegenüber
jeder persönlich verantwortlich sind, haben sie jederzeit Zutritt zu denselben und
müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Der Ministerpräsident leitet die ge-
meinsamen Sitzungen der Minister.
6. Das Beamtenrecht. Alle übrigen Behörden und Beamten des Staates
sind den Ministern unterstellt und haben deren Anweisungen Folge zu leisten.
Daneben gibt es noch eine Reihe von Beamten, die von Gemeinden oder son-
stigen Verbänden angestellt und als mittelbare Staatsbeamte bezeichnet werden
(Bürgermeister). Man versteht unter Beamten diejenigen Personen, die einem
politischen Gemeinwesen (Reich, Staat, Kommunalverband) infolge besonderer
Anstellung dauernde Dienste zu leisten haben. Während die Beamten im allge-
meinen ihren Vorgesetzten zum dienstlichen Gehorsam verpflichtet sind, üben die
Richter ihr Amt völlig frei, allein nach Maßgabe der Gesetze aus; sie können
nur durch Richterspruch ihres Amtes enthoben oder versetzt werden.
Die Anstellung der Beamten erfolgt durch den Monarchen oder eine Be-
hörde in der Regel auf Lebenszeit, nachdem die höheren Beamten die wissen-
schaftliche Befähigung zur Ausübung ihres Berufes durch entsprechende Vor-
bildung und Examen nachgewiesen haben.
Eckardt, Abriß der Staatsbürgerkunde. Ausg. B. 2