20 Das Deutsche Reich.
Peters, Pfeil und Jühlke, 1890 brachte der „Sansibarvertrag“ mit England
verschiedene Verschiebungen im Kolonialbesitz. In den folgenden Jahren ge-
langte eine Anzahl der Südseeinseln in unsere Hände und 1897 verschaffte uns
der Vertrag mit China das Pachtgebiet Kiautschou, mit einem der besten Häfen
Chinas (Tsingtau). Eine Erweiterung erfuhr unsere Kolonie Kamerun 1911
durch den Vertrag mit Frankreich, der uns den Besitz eines großen Teiles des
französischen Kongogebiets brachte.
2. Reich und Bundesstaaten. Das neue Deutsche Reich ist ein aus Staaten
aufgebauter Bundesstaat mit unmittelbarer Herrschaft über das Reichsgebiet
und seine Einwohner. Alle 26 deutschen Staaten sind an der Bildung des
Reicbevert. Reichswillens — der Reichsgesetze — beteiligt und die Reichsgesetze gehen
allen Landesgesetzen vor. Diese Reichsgesetzgebung und Reichsaufsicht kann
Art. 4 sich erstrecken auf: das Bürgerrecht, Gewerbe und Versicherungswesen, die Zoll-
und Handelzsgesetzgebung, die für Reichszwecke nötigen Steuern, das Geld-, Maß-
und Gewichtswesen, das Bankwesen, Patentwesen, die auswärtigen Angelegen-
heiten, den Handel im Ausland, das Eisenbahn-, Schiffahrts-, Post= und Te-
legraphenwesen, die Gesetzgebung in Zivil= und Strafsachen, das Militärwesen,
Preß= und Vereinswesen. Die Verwaltung der genannten Gebiete bleibt zwar
im wesentlichen den Einzelstaaten überlassen, jedoch ist die Einheitlichkeit des
Reiches durch die gleiche Gesetzgebung und Aufsicht gewährleistet.
Den süddeutschen Staaten mußten, um sie zum Eintritt in das Reich
zu bewegen, besondere Vorrechte bewilligt werden. Bayern und Württemberg
Art. 46. haben ihr eigenes Post= und Telegraphenwesen, Bayern hat sich ferner die
Art. 68 Gesetzgebung im Eisenbahnwesen und die eigene Führung seines Heeres im
Frieden vorbehalten. Diese Zugeständnisse sind aber verhältnismäßig so ge-
ring, daß die Einheitlichkeit des Reichsgedankens dadurch nicht gefährdet wird.
In die Ausübung der Herrschaftsgewalt im Reiche teilen sich der Kaiser, der
Bundesrat und der Reichstag.
netehe Vert. 3. Der Kaiser. An der Spitze des Reiches steht der König von Preußen
"als Deutscher Kaiser. Er vertritt das Reich völkerrechtlich, erklärt im Einver-
nehmen mit dem Bundesrat Krieg und schließt Frieden, geht Bündnisse und
Art 12. Verträge mit anderen Staaten ein, beruft, vertagt und schließt den Bundesrat
und den Reichstag, ernennt den obersten Beamten des Reiches — den Reichs-
Art. 17 kanzler — und den Statthalter von Elsaß-Lothringen, verkündet die von ihm
Art. 18. und dem Reichskanzler unterzeichneten Reichsgesetze und ernennt die Reichsbe-
Art. 653. amten. Er hat den Oberbefehl über die Kriegsmarine und das Landheer und
Sehntege. übt die Schutzgewalt über die deutschen Schutzgebiete aus. Das Recht, Reichs-
vom 5.-Jan gesetze abzulehnen, hat der Kaiser nicht. Für seine Stellung als Deutscher
1800. 51. Kaiser erhält er keine besondere Vergütung; ebenso weicht seine persönliche
Art. 5. Rechtsstellung nicht von der der anderen Monarchen im Reiche ab.
4. Der Bundesrat. Zur Sicherung der Einheitlichkeit aller Staaten im
Art. ö. Reiche erfolgt die eigentliche Regierung durch den aus Regierungsvertretern
aller Bundesmitglieder zusammengesetzten Bundesrat. Er zählt 58 Stimmen
(Preußen 17, Bayern 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden und Hessen
Ges betrdie je 3, Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je 2, alle anderen Staaten je
Verfassung
v. Bls Wons, 1 Stimme), dazu kommen seit 31. März 1911 noch 3 Stimmen für Elsaß=